Äolische Inseln

Äolische Inseln, UNESCO

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Vulkane gehören zu Italien, vor allem zu Sizilien. Hier befinden sich wohl die meisten aktiven Feuerspeier am gesamten Kontinent, was gerade der Vulkanologie wichtige Einsichten in die damit verbundenen geologischen Prozesse gewährt. Eine besondere Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Äolischen Inseln in der Provinz Messina mit ihren beiden aktiven Vulkanen. Sie dienen seit über 200 Jahren als wichtige Forschungs- und Ausbildungsgrundlage, haben sie doch vulkanischen Ursprung und weisen zudem zwei unterschiedliche Arten von Eruptionen auf. Seit 2000 zählen die sieben Inseln – Lipari, Vulcano, Stromboli, Salina, Filicudi, Alicudi und Panarea – zum UNESCO-Weltkulturerbe und laden zu wunderschönen Entdeckungsreisen ein. Dabei haben die Äolischen Inseln tatsächlich noch viel mehr als „nur“ Vulkanismus zu bieten.

Über die Äolischen Inseln

Wie bereits erwähnt, sind die Äolischen Inseln, auch als Liparische Inseln bekannt, vulkanischen Ursprungs. Zumindest mitverantwortlich dürfte die außerordentliche tektonische Lage sein, denn hier drückt der Rand der Afrikanischen Platte gegen die Eurasische Platte. Der Meeresboden beugte sich, entlang der entstandenen Risse konnte Magma austreten. Aufgrund der Lage in einer Subduktionszone gestalten sich die vulkanischen Aktivitäten nicht explosiv, bleiben aufgrund der „Kurvenlage“ – der Apulische Sporn der Afrikanischen Platte biegt hier ab und ändert die Richtung der Plattengrenze um 90° – aber durchaus lebhaft. Heute geht man davon aus, dass die Inseln vergleichsweise jung sind und in drei Phasen entstanden. Zunächst bildete sich Filicudi, dann folgten Panarea, Salina, Lipari und Alicudi. Erst zum Schluss entstanden Vulcano und Stromboli, zudem erhielt Lipari seinen südlichen Inselteil.

Äolische Inseln

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Funde zeigen, dass die Äolischen Inseln bereits im Neolithikum besiedelt waren und als Obsidian-Lieferanten zu Wohlstand gekommen waren. Wiederholte Zerstörungen, Besiedlungen und Plünderungen ergeben ein insgesamt recht wechselhaftes Bild. So gab es Angriffe aus Athen und Karthago, Lipari sah die Gründung der ersten christlichen Kirche im 3. Jahrhundert, selbst Piraten ließen sich einst hier nieder. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts, nachdem die Inseln aufgrund großer Abwanderung zu verwaisen drohten, setzte der Tourismus ein. Mitverantwortlich dafür: „Stromboli“, ein Film von Roberto Rossellini aus dem Jahr 1949. Mittlerweile ist Fremdenverkehr der wichtigste Wirtschaftszweig auf den Inseln. Gerade im Juli und August findest du oft mehr Touristen als Einwohner in der Region.

Lipari

Unsere Rundreise beginnen wir in Lipari, der größten und wichtigsten Insel – es heißt ja nicht umsonst auch „Liparische Inseln“. Hier sticht sofort der 60 m hohe Fels mit einer Burganlage aus dem 16. Jahrhundert ins Auge. Im Inneren des Mauerrings befindet sich die sympathische Barockkirche San Bartolomeo, 1654 erbaut, nachdem der mittelalterliche Vorgänger von osmanischen Piraten zerstört worden war. Einige Kalksteinkapitelle erinnern an die Ursprünge im 11. und 12. Jahrhundert. Das Archäologische Museum befindet sich ebenfalls größtenteils in der Festungsanlage. Hier erwarten dich packende Einblicke in die urzeitliche Besiedlungsgeschichte sowie die enge Verbindung der Region mit Vulkanologie. Mehrere malerische Strände laden zu einem herrlichen Sonnenbad ein. Übrigens ist es verboten, in Badebekleidung durch das Zentrum Liparis zu spazieren. Verstöße werden mit Geldstrafen von 500 Euro geahndet.

Vulcano

Laut römischer Mythologie befand sich die Schmiede des Vulcanus, Gott des Feuers, auf der Insel Vulcano. Das Ausbruchsmuster des Vulkans – kurze und kanonenschussartige Explosionen mit Druckwellen – erhielt in der Forschung die Bezeichnung „Vulkanianische Eruption“. Besondere Berühmtheit erlangte das „Tote Feld“. Sämtliche Pflanzen wichen der Hitze und den giftigen Gasen nach vulkanischen Aktivitäten in den 1910er Jahren. Vom Bad im Grundwasserschlammpool, der sich aufgrund der heißen Gase auf bis zu 52 °C aufheizen kann, erhofft man sich Heilwirkung bei Arthritis, Rheumatismus und verschiedenen Hautkrankheiten.

Stromboli

Europas aktivster Vulkan kommt nur selten zur Ruhe. Die letzte große Ausbruch liegt zwar über ein Jahrzehnt zurück, ständige Eruption gehören jedoch zum Alltag – den steten Auswurf nennt man übrigens „Strombolianische Eruption“. Der gleichnamige Film mit Ingrid Bergman machte Stromboli 1949 berühmt und zugleich zum beliebten Touristenziel. Gemeinsam mit einem ortskundigen Bergführer kannst du sogar den Vulkankegel komplett besteigen. Am Observatorium bei Punta Labronzo beobachtest du die spektakulären Ausbrüche – das Feuerspiel ist gerade bei Abend -und Nachthimmel unvergleichlich schön. Mit etwas Glück siehst du sogar Sciara del Fuoco, den bis zum Meer reichenden Lavastrom. Wenn du es lieber etwas beschaulicher magst, empfehlen wir dir einen Abstecher in das kleine Hafendorf San Vincenzo mit seinen typisch weißen Häusern oder zum alten Leuchtturm.

Salina

Die Zwillingsvulkane Monte dei Porri (860 m) und Monte Fossa delle Felci (962 m) prägen das Bild Salinas entscheidend mit. Als einzige Insel des Archipels verfügt sie über eine Süßwasserquelle und somit über üppige Vegetation. Am Monte Fossa erwarten dich wunderschöne Wälder, die beinahe senkrecht zu den nicht minder begeisternden Stränden abfallen. Salina sorgt gemeinsam mit der sizilianischen Insel Pantelleria für 95 % der italienischen Kapernernte und produziert zudem den herrlich süßen Weißwein Malvasia delle Lipari. Ein Besuch der Wallfahrtskirche Madonna del Terzito, auf den Fundamenten eines Tempels aus dem alten Rom erbaut, sowie des Drehorts des mehrfach preisgekrönten Radford-Films „Der Postmann“ stehen ebenfalls auf dem Programm.

Filicudi und Alicudi

Diese beiden kleinen Inseln im westlichen Teil des Archipels bestehend überwiegend aus inaktiven Vulkankratern. Lass dich von der prächtigen Landschaft mit Wildwuchs und den malerischen Meeresgründen verzaubern. Filicudi lädt vor allem zum Schnorcheln und Tauchen, im Herbst sogar zum Windsurfen ein. Bei botanischen Wanderungen und Vogelbeobachten lernst du die Flora und Fauna kennen. An den Felsklippen im Nordwesten sind Extremkletterer zuhause. Alicudi kommt komplett ohne Straßennetz aus, jahrhundertealte Treppenwege verbinden die Häuser miteinander. Ein kleiner Spaziergang durch den bewohnten Südostteil der Insel fasziniert mit geradezu uriger, wie aus der Zeit gefallener Atmosphäre.

Panarea

Abschließend wagen wir uns auf die kleinste und niedrigste Insel (die höchste Erhebung liegt auf 421 m). Schwache Unterwassereruptionen ziehen viele Touristen nach Panarea und auf die vielen kleinen Nachbarinseln. Hier wird Geschichte greifbar gemacht – die Ausgrabungen eines Dorfes auf dem Capo Milazzese oder die Überreste einer römischen Villa mit Landungssteg und Thermalbad unter der Wasseroberfläche auf der Isola di Basiluzzo gewähren tiefe Einblicke in die illustre Siedlungsgeschichte der Region. Der schönste Strand Panareas liegt übrigens im Südosten an der Cala di Junco, während die drei Dörfer an der Ostküste, San Pietro, Ditella und Drauto, geradezu fließend ineinander übergehen.

Die Liparischen oder Äolischen Inseln erweisen sich als wahre Schatztruhe. Natürlich wirst du dich vorrangig für die faszinierenden vulkanischen Aktivitäten und Zeugnisse solcher interessieren. Rundherum ergeben außerdem unzählige weitere großartige Möglichkeiten, die vielfältige Natur des Archipels, seine einzigartige Besiedlungsgeschichte und, keine Frage, die prächtigen Strände zu erleben. Neugierig geworden? Dann nichts wie ab auf die Fähre!

Mantua und Sabbioneta

Mantua

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Zwei Städte, ein Adelsgeschlecht und eine Weltkulturerbestätte: Seit 2008 rangieren die Altstädte von Mantua und Sabbioneta zu diesem illustren Kreis der UNESCO. Beide Städte zeigen, wie Städteplanung und Städtebau in der Renaissance funktionierten, und zwar auf ganz unterschiedliche Weise. Hinter diesen Bemühungen stecken die Gonzaga. Sie ließen Mantua und Sabbioneta vom 14. bis weit ins 17. Jahrhundert aufblühen. Mit der erweiterten und erneuerten Metropole auf der einen und der Idealstadt auf der anderen Seite, illustrieren sie Evolution, Revolution und die Einflüsse des Humanismus. Zeit für einen kleinen Abstecher in die Lombardei!

Wie die Gonzaga zu den Herzögen von Mantua wurden

Werfen wir zuerst einen Blick auf das Adelsgeschlecht, welches Mantua entscheidend prägte und Sabbioneta errichtete. Die Gonzaga wurden erstmals im 12. Jahrhundert als Lehensnehmer des Grafen von Casaloldo auf der bei Mantua liegenden Burg Gonzaga dokumentiert. Als Nachfolger der Familie Bonacolsi regierten sie von 1328 bis 1708 in Mantua – zunächst als Reichsvikare, dann als Grafen und Markgrafen, bevor Federico II. schließlich 1530 den Titel „Herzog von Mantua“ erhielt. Durch Heirat und Ankauf erhielt die Familie Montferrat und Guastalla, und erreichte somit um 1539 den Höhepunkt ihrer Macht. Wenig später begann Vespasiano Gonzaga mit der Errichtung der Idealstadt Sabbioneta.

Als der Hauptstamm der Gonzaga 1627 erlosch, „regelte“ der Mantuanische Erbfolgekrieg die Nachfolge. Der Habsburger Kaiser – die Gonzaga hatten sich politisch stark an die Habsburger angelehnt – wollte das Herzogtum einziehen, nach französischer Intervention ging Mantua allerdings an eine jüngere, französische Linie der Gonzaga. Erst im Spanischen Erbfolgekrieg zog der Kaiser das Lehen ein, am 30. Juni 1708 wurde das Gebiet mit dem habsburgischen Herzogtum Mailand vereint, während ein Teil von Montferrat an Savoyen ging. Im gleichen Jahrhundert starben die meisten Nebenlinien der Gonzaga aus. Heute besteht einzig die Seitenlinie Gonzaga di Vescovato.

Mantua

Als die Gonzaga Mantua im 14. Jahrhundert übernahmen, veränderten sie das Stadtbild deutlich. Vor allem im 16. Jahrhundert erhielt es ein deutlich prunkvolleres Antlitz, welches Reichtum und Macht seiner Herrscher illustrieren sollte. Die Renaissance sorgte für neue Ideen und erweiterte die bestehende mittelalterliche Stadt auf eindrucksvolle Weise. Überall entdeckst du Zeugen dieser Evolution im Städtebau mit wunderschönen Plätzen, reichen Verzierungen und versteckten Details. Folgende drei Gebäude musst du unbedingt besuchen:

Palazzo Ducale

Der Herzogspalast ist ohne Zweifel das Herzstück Mantuas. Seine ältesten Bereiche – Palazzo del Capitano und Magna Domus – gehen sogar noch auf die Regentschaft der Bonacolsi zurück, wenig später folgte das Castello di San Giorgio. Bis ins 17. Jahrhundert sollten weitere Ausbauten folgen, darunter der Domus Nova, die Kirche Santa Barbara und die Palastkapelle. Mächtige Korridore und Galerien verbinden die Gebäudeteile, von Gärten und Innenhöfen reizvoll aufgewertet. Insgesamt umfasst der Ziegelbau an die 500 Räume auf einer Fläche von ca. 34.000 m². Ein Rundgang durch den Palazzo weiß zu begeistern, denn du stößt immer wieder auf prächtige Details und künstlerische Brillanz. Das Hochzeitszimmer („Camera degli Sposi“) im Castello di San Giorgio ist allerdings ein absolutes Muss. Andrea Mantegnas Fresken erlangten Weltruhm, und zwar aus gutem Grund, wie du selbst sehen wirst.

Dom von Mantua

Mantua, UNESCO

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Eigentlich stammt diese fünfschiffige, romanische Basilika aus dem neunten Jahrhundert, wurde jedoch im 15. Jahrhundert unter Francesco I. Gonzaga deutlich erweitert. Leider zerstörte ein verheerender Brand weite Teile des Doms und so orientierte man sich beim Wiederaufbau 1545 zunächst an der frühchristlichen Version des Petersdoms. Die Marmorfassade wurde erst über 200 Jahre später fertiggestellt. An der rechten Seite erkennst du noch die alten Giebel und Königstürme von vor dem Brand, nun von einer klassizistischen Fassade begleitet. Im wunderschönen Inneren verewigten sich vor allem Mantuas Meister des Manierismus. Unzählige atemberaubende Gemälde und Kunstwerke lassen den Dom stellenweise wie eine überdimensionale Kunstgalerie erscheinen.

Basilika Sant‘Andrea

Als Ludovico Gonzaga eine Heilig-Blut-Reliquie erwarb, ließ er 1470 eine eigene Kirche dafür errichten. Kein Geringerer als das Renaissance-Universalgenie Leon Battista Alberti setze die kühnen Pläne um und griff dafür auf antik-römische Muster zurück, begleitet von Elementen aus dem italienischen Altertum. Die Seitenschiffe wurden durch Kapellen ersetzt – eine einschneidende Neuerung für den Kirchenbau der Renaissance und des Barock. Um die Monumentalwirkung seiner antiken Vorbilder zu erreichen, wählte Alberti eine antike Tempelfront mit ungewöhnlichen flachen Pilastern. Die Vierung sowie die Tambourkuppel folgten erst im 18. Jahrhundert. Andrea Mantegna ist auch mit diesem Gebäude eng verbunden, denn in der Basilika bestaunst du nicht nur seine Gemälde, du findest auch das Grab des Renaissancemalers.

Sabbioneta

Vespasiano Gonzaga, Herzog von Sabbioneta, erbte die Burganlage im 16. Jahrhundert und wollte sie zur Fürstenresidenz ausbauen. Tatsächlich machte er Sabbioneta zur Idealstadt nach humanistischen Erkenntnissen und sorgte ganz nebenbei für die erste autonome Stadtgründung der Renaissance. Besonders beeindruckend ist die gewaltige Stadtmauer, gerade für eine eigentlich recht kleine Stadt. Sie ist wie ein unregelmäßiges Sechseck geformt und weist sternförmig vorspringende Bastionen auf. Zwischen 1554 und 1571 wurde die minutiös genau geplante Altstadt errichtet. Vespasiano wollte Sabbioneta zu einer Kunst- und Kulturstadt nach dem Vorbild Athens machen, nach seinem Tod wurde sie allerdings vernachlässigt und fast komplett verlassen. Die Monumente blieben unberührt, die urbane Struktur intakt.

Über die beiden Stadttore Porta Vittoria und Porta Imperiale gelangst du heute nach Sabbioneta. Neben den prächtigen Kirchen und Klöstern besuchst unter anderem:

  • Palazzo Ducale: Auch in Sabbioneta gibt es einen Herzogspalast. Prächtige Pferdestatuen und kunstvoll geschnitzte Holzdecken erwarten dich.
  • Teatro Olimpico: Nach dem gleichnamigen Vorbild in Vicenza erbaut, ist es das erste freistehende, als solches angedachte Theater Europas. Korinthische Säulen, auf deren Gesimsen Götterfiguren ruhen, zieren die Galerie.
  • Galleria degli Antichi: Vespasianos Antikensammlung zählt zu den größten Sammlungen ihrer Art auf italienischem Boden. Hier siehst du unter anderem jene 32 Marmorstatuen und 18 Büsten, die er von seinem Vater und Großvater geerbt hatte.
  • Palazzo del Giardino: Die Privatvilla des Herzogs wirkt von außen eher schlicht. Der herrliche Blick auf den Garten und die zahlreichen, auf 15 ausgemalte Räume verteilten Fresken mit historisierenden und mythologischen Szenen halten Überraschendes bereit.

 

Das ist natürlich nur eine kleine Auswahl jener Gebäude und Sehenswürdigkeiten, die dich in den malerischen Altstädten Mantuas und Sabbionetas erwarten. Freu dich auf aufregende Touren durch diese beiden Renaissance-Juwelen mit hochspannenden Einsichten in eine andere Zeit. So schön kann die Lombardei sein!

Kathedrale von Modena, Glockenturm und Piazza Grande

Cathedral of Modena, UNESCO

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Im 11. Jahrhundert hielt ein neuer architektonischer Stil Einzug in Europa. Die Romanik mit ihren Rundbögen, dicken Mauern und kleinen Fenstern eroberte schnell den gesamten Kontinent und trieb manch spannende regionale Blüte. Gerade Italien öffnete sich für diese neuen Einflüsse, welche gerade in der Emilia Romagna mit offenen Armen aufgenommen wurden. Zu den wichtigsten romanischen Bauwerken zählt San Geminiano, die Kathedrale von Modena. Gemeinsam mit ihrem 88 m hohen Glockenturm (Torre Ghirlandina) und der anliegenden Piazza Grande ist sie der große Stolz der Modeneser, und so begleiteten sie die Erhebung zum UNESCO-Weltkulturerbe im Jahr 1997 mit verständlichem Stolz und Jubel. Heute ist die Piazza mit ihrem romanischen Ensemble touristischer Hauptanziehungspunkt Modenas. Warum du einen Abstecher in die Emilia Romagna wagen solltest, verraten wir dir liebend gerne.

Ein Streifzug durch Modenas Geschichte

Der romanische Ausbau ab dem 11. Jahrhundert war übrigens nur einer von vielen Höhepunkten in Modenas hochspannender Geschichte. Wusstest du, dass die Stadt eigentlich etruskische Wurzeln hat? Tatsächlich hieß Modena ganz früher Mutina, bevor es von den Boiern erobert wurde und schließlich 222 v. Chr. in römische Hand geriet. Die römische Stadt erfüllte wichtige Exportfunktionen für Wein und Töpferei, wurde nach Attilas Plünderungen und dem Einfall der Langobarden jedoch dem Verfall preisgegeben. Erst Ende des 9. Jahrhunderts kam es zum Wiederaufbau und zur Befestigung.

In den folgenden Jahrhunderten wechselte Modena gleich mehrfach seine Herren. Zu Baubeginn der Kathedrale befand es sich in marktgräflichem Besitz, später wurde es zur freien Kommune, die letztlich an die Este fiel und von diesen vergrößert wurde. Besetzungen durch die Franzosen und österreichische Herrschaft sollten ab dem späten 18. Jahrhundert folgen. Schließlich und endlich ging Modena 1861 in den italienischen Einheitsstaat auf, die letzte Nachfahrin des Hauses Österreich-Este verstarb 1886.

Die Kathedrale von Modena

Diese politische Unruhe hinterließ natürlich auch ihre Spuren im Stadtbild, und so wird es dich kaum überraschend, dass es sich beim Duomo San Geminiano keineswegs um das erste Gotteshaus an diesem Platz handelt. Tatsächlich gab es bereits vor der Zerstörung der Stadt nach dem Fall Roms zwei Kirchen an diesem Standort, beide wohl im 5. Jahrhundert erbaut. Sie wurden verwüstet, zerstört und dem Verfall preisgegeben. Mitte des 11. Jahrhunderts, nach Befestigung der Stadt, stand eine neue Kirche, die allerdings schnell zu klein geworden war. Außerdem entdeckte man das Grab des heiligen Geminiano, Schutzpatron der Stadt, das einen prominenteren Platz verdient hatte. Eine neue Kathedrale musste her. Diese Entscheidung trafen die Einwohner Modenas im kompletter kaiserlicher und kirchlicher Unabhängigkeit. Die Kathedrale von Modena wurde schließlich zum Symbol für Autonomie und Freiheit, wenige Jahrzehnte später gründete man besagte freie Kommune.

Als die Arbeiten an der heutigen Kathedrale unter der Leitung des Baumeisters Lanfranco schließlich 1099 begannen, unterstützte Marktgräfin Mathilde von Canossa, eine der wichtigsten Adeligen und mächtigsten Frauen ihrer Zeit, die Grundsteinlegung. Papst Lucius III. weihte die romanische Kathedrale am 12. Juli 1184, bis zur Fertigstellung sollte es allerdings noch dauern – erst 1322 waren die Arbeiten abgeschlossen. Was den Duomo mit seinem freistehenden Glockenturm, dem Campanile Torre Ghirlandina, so besonders macht, ist die gekonnte Vermengung mehrerer Stilepochen. Natürlich dominiert die Romanik, doch sorgen gotische Elemente und Renaissance-Charakteristika für ein besonders lebendiges Aussehen.

Der weiße Marmor an den Außenwänden leuchtet dir schon von Weitem entgegen. Er wechselt sich mit grauen und rötlichen Steinen ab – vermutlich Überbleibsel der römischen Gebäude. Natürlich entdeckst du überall typisch romanische Stilelemente, wie die Blendarkaden und Zwerggalerien. Das atemberaubend schöne gotische Rundfenster zeugt von der knapp 250jährigen Entstehungsgeschichte der Kathedrale. Zahlreiche Reliefs des Bildhauers Wiligelmus, ein Zeitgenosse Lanfrancos, zieren die Fassade. Wenn du genau hinsiehst, entdeckst du Szenen aus der Bibel, aber auch Abbildungen von Propheten und Patriarchen. Mindestens so sehenswert sind die Reliefs aus dem Arthurmythos am prächtigen Nordportal der Kathedrale, der Porta della Pescheria.

Das Innenleben verzichtet auf die typische Kreuzform. Ein Querschiff suchst du vergeblich, dafür erwarten dich gleich drei Langschiffe. In der unteren Apsis-Ebene befindet sich die Krypta mit einem Sarkophag, in dem die Gebeine des Geminiano aufbewahrt werden. Die zentrale Apsis wurde im 18. Jahrhundert umfassend verändert und mit kostbarem Marmor verkleidet. Bei dieser Gelegenheit erhielten die umgebauten Gewölbe reiche Stuck-Verzierungen. Anselmo da Campiones Marmorbrüstung mit einer Darstellung der Passion Christi wird dich ebenso in Staunen versetzen.

Torre Ghirlandina

Cathedral of Modena

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Die Kathedrale von Modena wäre ohne ihren Campanile allerdings nur halb so schön. Der Glockenturm Torre Ghirlandina ist das Wahrzeichen der Stadt, weithin sichtbar und zugleich ein guter Orientierungspunkt. Ursprünglich hieß der Turm Torre di San Geminiano, stand auf einem viereckigen Grundriss und wuchs bis 1179 auf fünf Stockwerke an. Die Rivalität mit Bologna führte zu schrittweisen Aus- und Anbauten. Eine achteckige Spitze von Arrigo da Campione, der ebenso für die Kanzel der Kathedrale mit ihren Terrakotta-Skulpturen verantwortlich war, sollte folgen. Sie ist von zwei Girlanden, aus Marmorgeländern bestehend, dekoriert, daher auch der Name Torre Ghirlandina. Ein Blick in den Campanile führt dich in die Sala della Secchia mit Fresken aus dem 15. Jahrhundert. Ebenso lohnt sich ein Blick auf die gehauenen Kapitelle in der Sala dei Torresani im fünften Stock. Die fünf in C-Dur gestimmten Glocken stammen übrigens aus der Renaissance.

Was dich außerdem auf der Piazza Grande erwartet

Natürlich dominiert die Kathedrale mit ihrem Campanile die wunderschöne Piazza Grande. Tatsächlich treffen hier die religiöse und weltliche Macht Modenas aufeinander. Unter anderem entdeckst du:

  • Palazzo Comunale: Im 17. Jahrhundert wurden mehrere mittelalterliche Gebäude zum Palazzo Comunale verbunden. Hinter der imposanten Fassade mit ausladenden Bögen verbirgt sich das Rathaus der Stadt. Zudem stehen dir gleich mehrere historische Räume offen. Gerade die Sala del Fuoco und die Sala del Vecchio Consiglio sind mit prächtigen Gemälden dekoriert.
  • Palazzo dell’Arcivescovado: Schräg gegenüber der Kathedrale versteckt sich dieser sympathische Palast mit vielen kleinen Details, gekonnt über die gesamte Fassade verteilt. Hinter seinen Toren verbirgt sich eine kleine, wunderschöne Barockkapelle.
  • Preda Ringadora: Wichtige Persönlichkeiten, Redner und Gelehrte sprachen im Mittelalter von diesem großen Stein vor dem Palazzo Comunale, später diente er den Stadtwächtern als Ort der Rast und Ruhe. Ab dem 15. Jahrhunderte wurde er in einen Pranger für Schuldner und Betrüger umgewandelt.
  • Bonissima: Was es mit dieser sagenumwobenen mittelalterlichen Statue genau auf sich hat, liegt im Dunklen. Die Bonissima blickt seit Jahrhunderten auf das geschäftige Treiben auf der Piazza hinab. Ihr zu Ehren findet seit 2010 jeden Oktober ein mehrtägiges kulinarisches Fest statt.

 

Mit offenen Augen spazierst du über die Piazza Grande, den gewaltigen Torre Ghirlandina stets im Blick, von der Kathedrale magisch angezogen. Diese besonders prächtige UNESCO-Weltkulturerbestätte im Herzen Modenas weiß immer wieder aufs Neue zu begeistern. Fieberst du auch bereits deinem nächsten Städteurlaub in der Emilia Romagna entgegen?

Alte Buchenwälder und Buchenurwälder in Italien

Buchenurwälder in Italien

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Die meisten UNESCO-Weltkulturerbestätten beschränken sich auf einen Ort oder eine Region, überschreiten nur selten Grenzen. Und doch gibt es die eine oder andere, durchaus gigantische Ausnahme. Eine von ihnen wurde unter der etwas überlangen Bezeichnung „Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“ zusammengefasst. Bis zur Erweiterung im Jahr 2017 beschränkte sich diese Stätte auf mehrere Gebiete in Deutschland, der Slowakei und der Ukraine, mittlerweile gehören aber auch verschiedene Regionen in Albanien, Belgien, Bulgarien, Kroatien, Österreich, Rumänien, Slowenien und Spanien dazu – und natürlich Italien. Sechs wunderschöne Gebiete mit einer Gesamtfläche von 2.127 ha ziehen sich durch weite Teile des Landes. Bist du bereit für dieses besonders naturnahe Erlebnis?

Was die Buchen(ur)wälder schützenswert macht

Warum aber haben es gerade „ein paar Wälder“ auf die illustre Weltkulturerbe-Liste geschafft? Nun, die alten Buchenwälder und Buchenurwälder sind alles andere als das. Als Zeugen der letzten Eiszeit bedecken sie Mitteleuropa. Ihre Zahl und Fläche schrumpfte im Laufe der Jahrhunderte aufgrund von ausgedehnter Besiedlung und Industrialisierung jedoch deutlich. Entsprechend schützenswert zeigen sie sich als Zeugen ökologischer und evolutionsbiologischer Entwicklung. Die europäische Rotbuche an sich gilt als unwahrscheinlich anpassungsfähig und überstand selbst intensive Umweltveränderungen eindrucksvoll. Gleichzeitig verläuft ihre Expansion parallel zur Sesshaftigkeit der Menschen. Die forstwirtschaftliche Nutzung der Buche ab dem Mittelalter mit gleichzeitigem Rückgang der Buchenurwälder ist somit auch von großer kulturwissenschaftlicher Bedeutung.

Buchenurwälcer in Italien, UNESCO

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Die geschützten Buchenwälder befinden sich in weitestgehend unberührten Gefilden und den verschiedensten Klimazonen von alpin bis mediterran. Auch die sechs Standorte der alten Buchenwälder und Buchenurwälder in Italien liegen an beiden Küsten in einigen der malerischsten Regionen und illustrieren die Vielseitigkeit dieses einzigartigen Baumes perfekt. Du möchtest mehr über die einzelnen Teilgebiete der italienischen UNESCO-Weltkulturerbestätte erfahren? Zeit für eine kleine Rundreise.

Nationalpark Abruzzen, Latium und Molise

In einem der größten Nationalparks des Landes findest du auch die größte Fläche an Buchenwäldern im italienischen Teil des Schutzgebietes. Stolze 936 ha verteilen sich auf die bewaldeten Coppo del Morto, Selva Moricento, Val Fondillo, Valle Cervara und Coppo del Principe. Die Buchen im Valle Cervara auf einer Seehöhe von bis zu 1.850 m sind bis zu 560 Jahre alt. Das macht sie zu den ältesten ihrer Art in ganz Europa, ja sogar der gesamten Nordhalbkugel! Im Val Fondillo fließen hingegen mehrere Bäche, welche den ohnehin bereits einzigartigen Lebensraum noch weiter beleben. Seltene Tierarten, wie der Feuersalamander, bevölkern diesen Feuchtwald. Aber auch die übrigen Buchenwälder im Nationalpark Abruzzen, Latium und Molise zeichnen sich durch Blumen- und Artenvielfalt aus. Wölfe und Braunbären haben hier ein Zuhause gefunden, ebenso der Zilpzalp sowie seltene Moose und Pilze.

Nationalpark Pollino

Im Gegensatz dazu läuft der alte Buchenwald von Cozzo Ferriero in Rotonda eher unter dem Motto „klein, aber fein“. Die 96 Hektar in der Provinz Potenza in der Basilikata an der Grenze zu Kalabrien sind eine Spur jünger – bis zu 500 Jahre alt – und zugleich Kern des südlichsten alten Buchenwaldvorkommens in Europa. Die imposanten Baumriesen auf bis zu 1.750 m Seehöhe liefern Forschern interessante Einblicke in die Effekte und Auswirkungen des Klimawandels auf die Baumpopulation. Geführte Wanderungen und Bergtouren auf durchaus steilen Pfaden bringen dich diesem Naturidyll in kleinen Gruppen näher – Trittsicherheit und Bergerfahrung sind allerdings Pflicht.

Nationalpark Gargano

Eigentlich ist der gewaltige Nationalpark in Apulien für seine ausladenden Pinienwälder bekannt. In der Region Foresta Umbra, was übersetzt in etwa so viel wie „dunkler Wald“ oder „schattiger Wald“ heißt, dominieren hingegen unsere Buchen das Geschehen. Das Gebiet ist in vier Zonen unterteilt. D und C laden zu herrlichen Spaziergängen ein, während B das eigentliche Naturschutzgebiet beheimatet. Hier darf die Tier- und Pflanzenwelt auf keinen Fall gestört werden. Das schwer zugängliche Herz des Waldes, Zone A, ist hingegen für alle Spaziergänger und Touristen gesperrt. Aus dem Restbestand des Nemus Garganicum, einer der größten Laubwälder Mitteleuropas, ragt die Steineiche von Vico del Gargano vor einem Franziskanerkloster hervor. Um sie rankt sich so manche Legende.

Monte Cimino

Knapp 60 Hektar Buchenwald finden sich am 1.053 m hohen Monte Cimino, Teil eines kleinen Mittelgebirges in der Provinz Viterbo in Latium. Hier findest du echte Überlebenskünstler, denn im Laufe der Jahrhunderte wurden viele Buchenwälder im stellenweise seit der Bronzezeit bewohnten Siedlungsgebiet durch Kahlschlag und selektives Herausschlagen sukzessive in Lärchenwald umgewandelt. Schnell wurden die Buchen-Überreste unter Naturschutz gestellt. Sie sind heute nur stellenweise durch Spazier- und Wanderwege erschlossen, liegen dafür mitten in einer historisch besonders wertvollen Region.

Naturpark Bracciano – Martignano

In der Nähe von Oriolo Romano liegt der niedrigste Buchenwald im italienischen Weltkulturerbe-Gebiet. Die vergleichsweise flache Lage des Monte Raschio auf 542 m Seehöhe ist für sich bereits außergewöhnlich. Warum konnte die Buche im Naturpark Bracciano – Martignano im malerischen Latium dennoch wachsen und gedeihen, wirst du dich fragen? Dafür ist der hervorragende Boden verantwortlich. Ein überdurchschnittlich großer Anteil an Vulkanerde ließ die Giganten förmlich in die Höhe sprießen. Sie spenden prächtigen Schatten auf genussvollen Spaziergängen.

Nationalpark Foreste Casentinesi

Abschließend zieht es dich in die Emilia Romagna. Hier reist du nach Sasso Fratini, ein bereits seit 1959 bestehendes Schutzgebiet, das nur schwer erreichbar ist. Die schroffen, felsigen Abhänge verhinderten die (forst-)wirtschaftliche Erschließung, Zugangswege sind kaum vorhanden. Entsprechend konnten die alten Buchen herrlich wachsen und gedeihen. Manche von ihnen sind über 500 Jahre alt, der Zutritt zu diesem Naturreservat ist jedoch strengstens untersagt. Aber keine Sorge, zahlreiche Wander- und Spazierwege durch den Nationalpark Foreste Casentinesi, der übrigens bis in die Toskana reicht, führen dich in unmittelbare Nähe der prächtigen Baumgiganten. Bestimmt kannst du den einen oder anderen erspähen.

Bist du bereit für deine Ausflüge in die majestätische Natur Italiens? Auch wenn du meist nicht bis zu den alten Buchenwäldern und Buchenurwäldern an sich vordringen kannst – aus gutem Grund, wie du bestimmt verstehst – so erwarten dich dennoch viele aktiven Möglichkeiten, die Parks und Schutzgebiete in aller Ruhe zu erkunden und zu erleben. Es gibt nur wenige Orte, wo Naturgeschichte so greifbar ist, wie an diesen sechs Fleckchen. Lass uns gemeinsam dafür sorgen, dass es auch noch lange so bleibt.

Villa d’Este in Tivoli

Villa d'Este in Tivoli

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Fällt der Begriff „Renaissance“, hast du gewiss ganz bestimme Bilder im Kopf. Wahrscheinlich wirst du vor allem an architektonische Wunderwerke denken, an die Wiederentdeckung von Idealen aus der griechischen und römischen Antike, mit den modernen Erkenntnissen des 15. und 16. Jahrhunderts verbunden. Tatsächlich revolutionierte die Renaissance aber unzählige Bereiche, darunter die Gartenkunst. Der klassische italienische Garten, in der Regel gemeinsam mit einer Villa entworfen und angelegt, erlebte einen gewaltigen Boom. Nur wenige Anlagen sind so großartig und vielfältige wie jene der Villa d’Este in Tivoli in der Nähe von Rom. Seit 2001 werden Villa und Gartenanlage als UNESCO-Weltkulturerbe geführt. Dabei hätte eine wichtige Abstimmung im 16. Jahrhundert beinahe ihren Bau verhindert.

Vom Papstkandidat zum Meister der Gartenkunst

Als Kandidat der Franzosen ging Kardinal Ippolito II. d’Este in gleich mehrere Konklaven, darunter die Marathonwahl von 1549 und 1550, welche schließlich Julius III. auf den Heiligen Stuhl hievte. Als Statthalter von Tivoli ließ sich Ippolito ab 1550 ein ehemaliges Benediktinerkloster zum Palast umbauen. Schnell reifte die Idee, einen Garten am abschüssigen Hang unterhalb des Monumentalgebäudes anzulegen. Die Idee wurde erst zehn Jahre später umgesetzt. Pirro Ligorio, ein Maler und Architekt aus Neapel, erstellte den prächtigen Entwurf, Hofarchitekt Alberto Galvani kümmerte sich schließlich um die radikale Umgestaltung des gesamten Tals.

Als Ippolito 1572 starb, waren die Arbeiten fast vollendet, aber längst nicht abgeschlossen. Kardinal Alessandro d’Este, sein Nachfolger, ließ das Gartenkonzept weitreichend ändern, erneuerte die Gebäude und Brunnen. In der Folgezeit, als die Villa in Habsburger Besitz war, verfielt die Anlage zusehends. Erst ab 1851 ließ Gustaf-Adolf Prinz zu Hohenlohe-Schillingfürst dieses prächtige Anwesen komplett erneuern, später wurde Komponist Franz Liszt zum Stammgast und gab 1879 eines seiner letzten Konzerte hier. Nach Bombenschäden im Zweiten Weltkrieg wurde die Villa d’Este erneut aufwändig restauriert. Seither finden fast ununterbrochen Instandhaltungsarbeiten statt und so wird dich wahrscheinlich der eine oder andere Bauzaun sowie so manche Absperrung bei deinem Besuch begleiten.

Die Villa

Villa d'Este in Tivoli, UNESCO

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Bevor wir uns der prächtigen Gartenanlage widmen, fällt der Blick auf die Villa an sich, die viel zu oft übersehen und übergangen wird. Der heutige Eingang neben der Kirche Santa Maria Maggiore wurde zu Zeiten Ippolitos kaum verwendet – man arbeitete sich stattdessen Stufe für Stufe durch den Garten, sodass Gäste und Besucher bereits von weitem gesehen werden konnten. Über das Foyer mit Abbildungen aus dem Alten Testament und einem Saal mit Szenen aus dem Leben König Salomons arbeitest du dich in den weiten Hof mit dem schmucken Venusbrunnen vor. Nach dem Salon, wo Ippolito einst seine Empfänge abhielt, gelangst du in die Räumlichkeiten des Kardinals. Sein Schlafzimmer bietet einen besonders traumhaften Ausblick über die Gartenanlage. Im Erdgeschoß schlenderst du durch unzählige, aufwändig dekorierte Säle. Mosaike und Wandgemälde berühmter Renaissance-Künstler zieren diese wunderschönen, prunkvollen Räume. Jeder hat ein eigenes Thema und widmet sich beispielsweise der griechischen Antike, bestimmten Figuren aus der Bibel oder der Jagd.

Die Gärten

Nun wollen wir uns der Hauptattraktion widmen, und die hat es wirklich in sich. Über 500 Brunnen, Nymphen, Grotten und Wasserattraktionen zieren die Gartenanlage der Villa d’Este. Sie macht sich das Gefälle zu eigen und bettet es auf spannende Weise in die Gestaltung der beiden Hauptteile ein. Der etwas flachere Hauptgarten wies in seinem Idealbild von 1573 zwei Labyrinthe auf. Heute gliedert er sich in mehrere kleinere Gärten, die durch Laubengänge miteinander verbunden sind. Mehrere Rampen, Terrassen und Treppen ziehen sich durch den Hanggarten und erschließen den Abhang des Tals über einen Nischengang mit langen Querwegen entlang der Brunnenanlagen. Darunter wartet die prächtige Querachse mit drei Fischteichen, imposanten Aussichtspunkten und weiteren hochspannenden Terrassen.

Die Brunnen

Unzählige Brunnen säumen die imposante Gartenanlage. Von den Cento Fontane, einer Sammlung von hundert Springbrunnen entlang einer einzigen Allee, bis zu den verschiedenen Brunnen mit Tier-Motiven, historischen, mythischen und religiösen Figuren gibt es für dich eine schier unglaubliche Menge an Gartenarchitektur zu entdecken. Wir haben eine kleine Auswahl unserer Favoriten für dich vorbereitet.

  • Fontana dell’Organo: Der Orgelbrunnen zählt zu den berühmtesten Brunnen seiner Art und fand viele Nachahmer in ganz Europa. Als erste Wasserorgel überhaupt sorgte sie für großes Erstaunen und unbändige Begeisterung. So wurde das filigrane Innenleben über Jahre hinweg restauriert und erst 2003 wieder für den Betrieb freigegeben. Von der monumentalen Architektur bis zu den unzähligen kleinen Details und versteckten Statuen lässt auch du dich gewiss in den Bann der Wasserorgel ziehen.
  • Fontana di Proserpina: Ursprünglich sollten vier römische Kaiserstatuen – Cäsar, Augustus, Trajan und Hadrian – diesen vergleichsweise kleinen, schmucken Brunnen zieren. Der Triumphbogen mit geschwungenen Säulen, die entfernt an den Petersdom erinnern, zeugen von dieser ursprünglichen Idee. Leider fiel die namengebende Statue der Proserpina den Wirren der Zeit zum Opfer.
  • Fontana della Civetta: Vergleichsweise formelhaft angelegt, offenbart der Brunnen der Eule eine klare Figurensprache. Sorgsam arrangierte Mosaik-Dekorationen, zahlreiche kleine Figuren und das von zwei Engeln gehaltene Wappen der Este verleihen der Fontana ein repräsentatives Antlitz. Erst vor wenigen Jahren konnte die Vogelgesang erzeugende Anlage rekonstruiert und installiert werden.
  • Fontana dell’Ovato: Als einer der ersten Brunnen wurde diese ovale Installation fertiggestellt. Pirro Ligorios Entwurf eines Wassertheaters wurde mit einem künstlichen Berg versehen. In der dazugehörigen Venusgrotte traf man sich einst, um die heißen Sommertage vorbeiziehen zu lassen.
  • Fontana dei Draghi: Für den Drachenbrunnen ließ sich Ligorio vom Herkulesmythos inspirieren. Die Statuen widmen sich dem Pflücken der goldenen Äpfel der Hesperiden. Ladon, der apfelbewachende Drachen, ist sozusagen der Hauptdarsteller der Fontana dei Draghi. Weitere Ladon- und Herkules-Darstellung findest du übrigens in der freskoreichen Villa.
  • Fontana di Rometta: Eine Miniaturnachbildung des antiken Roms in Brunnenform markiert einen der wichtigsten Plätze dieser Gartenanlage. Die Fontana di Rometta symbolisiert den Verlauf des Tiber von seiner Quelle im Apennin bis zur Speisung der Stadt. Der künstliche Berg wurde erst nachträglich hinzugefügt.
  • Fontana di Nettuno: Der neueste Brunnen der Villa d’Este entstand erst im 20. Jahrhundert und ersetzte einen verfallenen Felswasserfall. Aus den Überresten zauberte Architekt Attilio Rossi um 1930 diesen besonders mächtigen Springbrunnen mit seinen hohen Fontänen und kramte die für einen unvollendeten anderen Brunnen angedachte Neptunstatue als Herzstück hervor.
  • Cento Fontane: Zwischen der Fontana dell’Ovato und Fontana di Rometta verläuft eine Allee mit hundert kleinen Springbrunnen, den Cento Fontane. Obwohl die einst reichhaltige Dekoration mittlerweile verfallen oder durch üppiges Grün verwachsen ist, lassen sich die verschiedenen Felsmasken und Wasserterrassen auch heute noch prima erkennen und säumen den vielleicht schönsten Spazierweg des Gartens.

 

Wenn du gut zu Fuß bist, ist die Villa d’Este mit ihrer atemberaubend schönen Gartenanlage stets einen Besuch wert. Sie ist ein exzellentes Ausflugsziel für deinen Städteurlaub in Rom, nur eine knappe Autostunde östlich der italienischen Hauptstadt gelegen. Lass dich in den Bann dieses Renaissance-Meisterwerks ziehen – drinnen wie draußen ein Erlebnis für sich.

Die Amalfiküste

Amalfiküste, UNESCO

©Bigstock.com/Denis Tabler

Die außerordentliche Schönheit der Region Kampanien bringt viele wunderschöne Orte, Städte und Fleckchen Land hervor – bestimmt bist du mit Neapel, Pompeji und dem Vesuv, um nur einige wenige zu nennen, bestens vertraut. In dieser Aufzählung darf die Amalfiküste auf keinen Fall fehlen. Der Küstenstreifen am Golf von Salerno gehört zur Sorrentinischen Halbinseln und umfasst 13 spannende Gemeinden – teils idyllisch und verschlafen, teils überaus lebhaft – sowie wunderschöne Naturlandschaften zwischen hohen Felsen und tiefblauem Meer. Seit 1997 zählt eine Fläche von imposanten 11.231 ha zum UNESCO-Weltkulturerbe. Begleite uns auf eine kleine Reise an die Küste!

Natur und Wirtschaft

Für das UNESCO-Komitee ist die Amalfiküste ein Ort von außerordentlicher Schönheit und natürlicher Vielfalt, der auf faszinierende Weise mit der spannenden Architektur und mannigfaltigen Kunst der einzelnen Ortschaften kollidiert. Die Küstenregion blühte bereits im Mittelalter auf, was sich in so manchem Ortsbild niederschlägt. Dabei ist Wohnraum aufgrund der überaus steilen Küstenlage durchaus begrenzt, von landwirtschaftlich nutzbaren Anbaugebieten ganz zu schweigen.

Entsprechend konzentrieren sich die meisten Dörfer und Städte der Amalfiküste vor allem auf Tourismus, der mit Abstand größte Wirtschaftsfaktor dieser Region. Begeisternde Kunstschätze, idyllische Ruhe, weite Wanderwege und herrliche Aussichten machen Urlaubsträume wahr. Auf den Terrassen über dem Meer werden aber auch Zitronen angebaut, aus deren Schalen exzellenter Limoncello gewonnen wird – Verkostungen natürlich inklusive. Aber auch feine Weine sind im Küstengebiet zuhause. Rotweine, Weißweine und Rosé glänzen durch geschmackliche Vielfalt und überraschende Noten.

Ortschaften an der Amalfiküste

Amalfiküste

©Bigstock.com/Paul Brady

Eine einzige Straße führt durch die Amalfiküste. Die Strada Statale 163, dir vielleicht besser bekannt als Amalfitana, verläuft 50 km lang von Meta di Sorrento nach Vietri sul Mare. Während der Ausblick über die steil abfallende Küste durchaus atemberaubend ist, kann die Fahrt auf engen, kaum zweispurigen Streckenabschnitten mit überhängenden Felsen stellenweise zum Nervenkitzel werden. So dürfen große Busse die Amalfitana nur mit Ausnahmegenehmigung und Wohnwagengespanne einzig in der Nacht befahren, von den engen Haarnadelkurven nach Ravello ganz zu schweigen.

Aber jetzt erst einmal tief durchatmen, denn wir wollen dir die 13 Ortschaften an der Amalfiküste näher vorstellen und beginnen mit den drei wichtigsten Dörfern und Städten.

Amalfi

Zuerst schicken wir dich nach Amalfi – der namengebende Ort dieser Region. Die Kleinstadt soll bereits um 320 n. Chr. von Kaiser Konstantins Soldaten gegründet worden sein und entwickelte sich schnell zur Seehandelsmacht, bevor pisanische Angriffe und ein schweres Erdbeben zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit führten.

Heute gilt das sich über steile Hänge erstreckende Amalfi als touristischer Hotspot und Heimat besonders hervorragenden Limoncellos, den du in zahlreichen Cafés, Bars und Restaurants genüsslich verkosten kannst. Zudem gibt es in der Stadt einiges an Kunst und Kultur zu entdecken. Der Dom auf der Piazza Duomo hat seine Wurzeln im 11. Jahrhundert und wurde zunächst in arabisch-normannischen, später in Barockstil umgewandelt. Von der farbigen Mosaikfassade bis zum dreischiffigen Innenbau mit den Gebeinen des Apostels Andreas, Amalfis Schutzpatron, ist diese prachtvolle Kathedrale das Wahrzeichen der Stadt. Ebenso empfehlen wir dir kleine Abstecher in das Bürgermuseum im Rathaus sowie das Seefahrtsmuseum in der Alten Schiffswerft, wo die Geschichte Amalfis aufgearbeitet wird.

Positano

Tourismus spielt auch in der sympathischen Ortschaft Positano eine zentrale Rolle. Spaziergänge durch steile Gassen und über zahlreichen Treppen bis zum Strand sind an der Tagesordnung. Hier schlägst du dein Lager auf und schwimmst im klaren Wasser oder tankst ein wenig Sonne. Der frühe Vogel fängt den Wurm, denn in diesem Badeort ist oft so einiges los. Auf deinen Spaziergängen durch dieses wohl schon in der Antike bewohnte Gebiet – bei Ausgrabungen wurden Überreste einer römischen Villa gefunden – triffst du auf fröhliche Menschen in Positano Moda. Dieser durchaus rustikale Stil zeichnet sich durch starke Farben, kreative Schnitte und viel Spitzen aus, und entwickelte sich in jüngerer Vergangenheit sogar zum kleinen Exportschlager. Zahlreiche Kirchen, darunter Santa Maria Assunta mit einer schwarzen Madonna und Santa Caterina, sowie der Felsblock Montagna Forata, ein überaus löchriger Zeitzeuge, begleiten deine gemütlichen Spaziergänge.

Ravello

Einst sollen sich reiche römische Patrizierfamilien auf der Flucht vor den Barbaren ins Hügelland zwischen den Tälern Regina und Dragone zurückgezogen und ein kleines Anwesen gegründet haben. Tatsächlich zog Ravello im Mittelalter eine reiche bürgerliche Schicht an, welche das Ortsbild entscheidend beeinflussen sollte. So begegnen dir auf deiner kleinen Tour durch Ravello zahlreiche prächtige, nach wie vor hervorragend erhaltene Villen. Besonderer Anziehungspunkt ist die Villa Rufolo aus dem 13. Jahrhundert. Dieser mächtige, verspielte Gebäudekomplex dient heute vor allem als Kulisse zeitgenössischer Ausstellungen. Sein gewaltiger Garten mit zahlreichen kleinen Bauten bietet wundervolle Erholung und traumhaften Fernblick. Hier ließ sich übrigens Richard Wagner für seinen Parsifal inspirieren. Weitere Villen, Kirchen und Heiligtümer lassen Spektakuläres und Geheimnisvolles an jeder Ecke Ravellos entdecken.

Weitere Ortschaften im Überblick

Neben diesen drei Hauptorten an der Amalfiküste erwarten dich noch zehn weitere Gemeinden entlang der Amalfitana. Hier geht es häufig ein wenig ruhiger und verschlafener, aber gewiss nicht minder schön vor sich. Deine Reise durch die UNESCO-Weltkulturerbestätte führt dich nach:

  • Vietri sul Mare: Seit dem Mittelalter werden bunte Keramiken in diesem kleinen Dorf gefertigt. Ein Besuch des Keramikmuseums ist Pflicht!
  • Cetara: Ein gewaltiger Turm wacht über der verschlafenen Ortschaft mit gut 2000 Einwohnern, in der sich alles um Fischfang und Landwirtschaft dreht.
  • Maiori: Vom prächtigen Palazzo Mezzacapo über die hoch auf einem Felsen thronende Kirche Santa Maria a Mare bis zum 973 von gegründeten Benediktinerkloster Santa Maria Olearia ist Maioris jahrhundertealte Geschichte an jeder Ecke greifbar.
  • Tramonti: Im Frauenkloster Conservatorio di San Giuseppe e Teresa stellen Nonnen den feinen Kräuterlikör Concerto her. Cappella Rupestre, die Kapelle im Fels, will ebenfalls besucht werden.
  • Minori: Einst ein berühmter Urlaubsort der römischen Aristokratie, ist Minori auch heute noch ein kleines, aber feines Touristendorf mit wunderschöner römischer Villa und der imposanten Basilica di Santa Trofimena.
  • Scala: Der ehemalige Bischofssitz der Seerepublik von Amalfi begeistert mit dem gewaltigen Dom aus dem 12. Jahrhundert. Sein mittlerweile barockes Antlitz ergibt einen spannenden Stilmix.
  • Atrani: Reiche Kaufleute der Seerepublik ließen sich ihre Villen in Atrani bauen. Die mittlerweile barockisierten Kirchen San Salvatore de‘ Bireto und Santa Maria Maddalena waren ihre Gotteshäuser.
  • Conca dei Marini: Die Etrusker gründeten eines der schönsten Dörfer Italiens. In der malerischen Gemeinde mit unter 700 Einwohnern lebt es sich herrlich entspannt.
  • Furore: Ein eigener Fjord mit atemberaubendem Strand säumt diese kleine Ortschaft an der Küste. Auch Furore zählt zu den schönsten Dörfern Italiens.
  • Praiano: Zahlreiche Hotels und mehrere imposante Kirchen markieren Praianos zwei Gesichter. In San Luca Evangelista entdeckst du prächtige Renaissance-Gemälde.

 

Ob du dich nun auf die Amalfitana aufmachst, einen der zahlreichen Wanderwege in Angriff nimmst oder dich nach einem kleinen Spaziergang am Strand niederlässt, die Amalfiküste ist stets eine Reise wert. Die traumhafte Mischung aus geschäftigem Treiben, touristischer Prägung und ländlich-natürlicher Idylle macht Urlaubsträume wahr und säumt eine der schönsten UNESCO-Weltkulturerbestätten Italiens. Deine Tour durch Kampanien kann kommen!

Vicenzas Altstadt und die Villen Palladios

Am 30. November 1508 wurde der wohl wichtigste Renaissance-Architekt Oberitaliens in Padua geboren. Andrea di Pietro della Gondola, Palladio genannt, war der erste Berufsarchitekt seiner Zeit. Von der römischen Antike und anderen Renaissance-Architekten inspiriert, arbeitete Palladio als Theoretiker und Praktiker. Ab 1540 drückte er Vicenza seinen Stempel auf. Kümmerte er sich zunächst nur um einige Villen in der Umgebung, stieg er schon bald zum wichtigsten Baumeister der Stadt auf. 23 seiner Bauwerke in der Altstadt sowie 24 Villen in der Region Venetien wurden 1994 und 1996 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Zeit für eine kleine Rundreise.

Über Andrea Palladio

Villen Palladios, UNESCO

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Bevor wir dich auf einen Rundgang durch Vicenzas Altstadt schicken, gibt es ein paar Informationen zur Person Andrea Palladio. Als Sohn eines Müllers waren die Voraussetzungen für eine große Karriere eher suboptimal, die Förderung durch den Bildhauer Vincenzo Grandi, Palladios Taufpate, ermöglichte ihm jedoch die Ausbildung zum Steinmetz und Bildhauer. 1536 lernte er Gian Giorgio Trissino kennen. Der 30 Jahre ältere Dichter und Philosoph erkannte seine Begabung sofort, förderte ihn und gab ihm den Beinamen Palladio. Besonders wichtig war die Finanzierung einer Reise nach Rom, wo der werdende Architekt und Baumeister römische Bauten intensiv studierte.

Bis sich Palladio in Vicenza behaupten konnte, sollte es 1549 werden, als sein Plan für die Umgestaltung des Palazzo della Ragione einen Wettbewerb gewinnen konnte. Was nun folgte, war ein kometenhafter Aufstieg, der Palladio sogar zeitweise nach Venedig führte. Seine selbstillustrierten Werke über römische und Renaissance-Architektur brachten ihn in eine Theoretiker-Liga mit Leon Battisti Alberti und sollten aufstrebende Baumeister über Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte maßgeblich beeinflussen. Palladios letzter Bau, ein Entwurf für das Teatro Olimpico, wurde erst vier Jahre nach seinem Tod am 19. August 1580 fertiggestellt.

Vicenzas Altstadt

Vicenzas Altstadt, UNESCO

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An so ziemlich jeder Ecke der Altstadt von Vicenza findet sich ein Bauwerk, das Andrea Palladio zugeschrieben wird. Der umtriebige Renaissancearchitekt hinterließ ein gewaltiges Erbe, seine Bauwerke waren Meilensteine ihrer Zeit und begleiten deinen Stadtrundgang. Hier sind drei Meisterleistungen, die du unbedingt besuchen und besichtigen solltest.

Basilica Palladiana

Nachdem der Kernbau des Palazzo della Ragione Ende des 15. Jahrhunderts teilweise eingestürzt war, sollte es über 50 Jahre dauern, bis ein neuer Entwurf umgesetzt wurde. Der damals unbekannte Palladio erhielt den Zuschlag, die Fertigstellung erfolgte allerdings erst 34 Jahre nach seinem Tod. Die Basilica Palladiana, wie das Gebäude heute genannt wird, erhielt ein komplett repräsentatives Antlitz mit weißem Marmor, Triumphbogenschema und Venezianischem Fenster. Die beinahe identische Gestaltung beider Stockwerke war für die damalige Zeit ungewöhnlich, gerade für ein öffentliches Gebäude. Ein Blick auf das Dach legt den großen Ratssaal, von allegorischen Figuren umgeben, frei. Heute findest du verschiedene Geschäfte im Erdgeschoß, während das Obergeschoß vor allem für wechselnde Ausstellungen genutzt wird.

Palazzo Chiericati

Häufige Überschwemmungen suchten die heutige Piazza Matteotti einst heim. Palladio ließ den Palazzo Chiericati durch eine Art Krepis, der antike Stufenunterbau griechischer Tempelanlage, erhöhen und schützen. Den Zuschlag für den Palast des Grafen Girolamo Chiericati erhielt der Baumeister übrigens aufgrund seiner eindrucksvollen Basilika. Entsprechend vertraut und doch etwas anders wirkt die imposante Renaissance-Fassade des Palazzo mit drei Loggien, ionischen und dorischen Säulen sowie symmetrischer Anordnung rund um den Innenhof. Begeisternde Deckengemälde und Fresken begleiten deine Besichtigungstour durch das heutige Museo Civico mit Kunst aus der Region.

Teatro Olimpico

Mit dem Ende der Antike verschwand das freistehende Theatergebäude komplett aus der europäischen Architektur. Die von Palladio mitgegründete Olympische Akademie von Vicenza bekundete großes Interesse an der Bühnenkunst, und so entwarf der Architekt kurz vor seinem Tod diese Neuinterpretation des römischen Theaters, von seinem Sohn Silla und später Vicenzo Scamozzi schließlich umgesetzt und abgeschlossen. Die klassische Zusammensetzung aus Zuschauerraum, Bühne und Palastfront-Bühnenhaus wurde frei realisiert. Das prächtige Mittelportal, der imposante Säulengang und die erst später hinzugefügten Statuen zu Ehren der Akademiegründer geben dem Theater ein monumentales Gesicht. Eingeweiht wurde das Teatro Olimpico übrigens durch eine Darbietung von Sophokles‘ König Ödipus.

Weitere wichtige Altstadtbauten

Ja, das waren tatsächlich nur drei von 23 Bauten in Vicenzas Altstadt, für welche sich der legendäre Baumeister verantwortlich zeichnete. Du möchtest noch mehr Palladio sehen? Verständlich. Hier sind einige weitere Tipps für deine Stadttour:

  • Palazzo del Capitaniato: Auch als Loggia Bernarda bekannt, beherbergt der Palast heute unter anderem den Stadtrat. Die mit Stuck verzierte Fassade und die etwas unorthodoxe Farbgebung machen ihn zu einem echten Hingucker.
  • Arco delle Scalette: Am Südosteingang zur Altstadt erhebt sich der gewaltige Bogen. 192 kleine Stufen führen zum Heiligtum von Monte Berico. Die gewaltige Architektur mit imposanten Statuen fällt im besten Sinne aus dem Rahmen.
  • Palazzo Iseppo Porto: Ein weiteres Frühwerk Palladios wurde für die einflussreiche Familie Porto erstellt. Die ausladende dreiteilige Fassade mit Rustika, Mezzaningeschoß und Piano Nobile gibt sich leger aufgestockt und beeindruckt mit harmonischen Proportionen.

 

Palladios Villen

Widmete sich die UNESCO-Weltkulturerbestätte zunächst nur den Altstadtbauten, wurde sie bereits zwei Jahre später um 24 weitere Villen in der gesamten Region Venetien erweitert. All diese prachtvollen Gebäude aufzulisten, würde gewiss den Rahmen sprengen. Hier sind einige ausgewählte Highlights für deinen nächsten Venetien-Urlaub:

  • La Rotonda: Diese Villa liegt auf einer Anhöhe am Stadtrand Vicenzas und wurde für einen hohen Beamten von Papst Pius IV erbaut. Palladio ließ sich unter anderem vom Vesta- und Romulustempel, aber auch dem Pantheon Roms inspirieren. Die gewaltige Kuppel und die harmonische Symmetrie sprechen Bände.
  • La Malcontenta: Mira an der Mündung des Brenta-Kanals beheimatet die repräsentative Villa der Gebrüder Foscari, von Venedig auf dem Wasserweg zu erreichen. So schlicht die mit grafischem Putzmuster dekorierten Fassaden-Quader aussehen mögen, so begeisternd wirkt die Freskenausstattung im Inneren.
  • Villa Thiene: Unweit von Vicenza in Quinto Vicentino erhebt sich ein zweistöckiger Bau, der ursprünglich wesentlich größer und gewaltiger hätte ausfallen sollen. Tatsächlich wurden nur Teile von Palladios Plänen umgesetzt, und so wirkt die Villa heute stellenweise etwas uneinheitlich. Dieses – innen wie außen – unruhige Erscheinungsbild macht sie allerdings umso reizvoller.

 

Dieser Auszug ist selbstverständlich nur ein kleiner Vorgeschmack auf die architektonische Pracht und Vielfalt Vicenzas und der umliegenden Regionen. Andrea Palladios Handschrift ist nicht nur in der Altstadt allgegenwärtig und unterstricht die besondere Rolle des Architekten und Baumeisters in der oberitalienischen Renaissance. Lass dich auf eine kleine Zeitreise entführen – viel Spaß bei einem mit Sicherheit unvergesslichen Aufenthalt!

Sienas historisches Zentrum

Sienas historisches Zentrum

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Florenz oder Siena? Nicht nur für Urlauber ist das eine Glaubensfrage, denn die beiden toskanischen Städte befinden sich seit Jahrhunderten in einer großen künstlerischen und politischen Rivalität. Auf architektonischer Ebene lassen sich allerdings deutliche Unterschiede erkennen, denn während Florenz das Paradebeispiel für Renaissance-Charme ist, dreht sich in Siena so ziemlich alles um die italienische Gotik mit mittelalterlichen Untertönen. Hier befindet sich eine der ältesten Universitäten des Landes, eines der berühmtesten Pferderennen der Welt und eine besonders schöne UNESCO-Weltkulturerbestätte. Die historische Altstadt erhielt diese Würde bereits 1995 und strahlt bis heute ungebrochene Faszination aus. Warum das so ist und welche Plätze und Schätze du unbedingt besuchen musst, verraten wir dir nur zu gerne.

Siena damals und heute

Die eigentliche Geschichte Sienas beginnt im Mittelalter, die Wurzeln der Stadt reichen allerdings viel weiter zurück. Sie wurde vermutlich von den Etruskern gegründet und „Saena“ genannt, erhielt später den Status einer römischen Colonia und begann unter den Langobarden einen langen, beständigen Aufstieg. Als Siena seinen Einfluss und seine Besitztümer im Mittelalter vergrößerte, entstand ein Konflikt mit Florenz auf vielen Ebenen, der zu steten Unruhen und sogar kleineren Kriegen führte. Man versöhnte sich allerdings immer wieder recht schnell.

Die Republik Siena sollte stolze 400 Jahre bestehen bleiben – eine Ära, die von steten innenpolitischen Umwälzungen und zahlreichen Konflikten, unter anderem mit Neapel und dem Papsttum, geprägt war. Eine schwere Pestepidemie um 1348 und finanzielle Fehlinvestitionen verstärkten die Unruhen, doch erst 1555 ergab man sich der Allianz von Spanien und dem Herzogtum Florenz. Siena wurde Teil des Großherzogtums Toskana und verlor seine politische Macht. An der architektonischen Pracht, die selbst Kriege und Bombenangriffe verhältnismäßig gut überstand, sollte das allerdings nicht rütteln.

Willkommen in der Altstadt

170 ha Weltkulturerbe-Fläche, weitere 9.907 ha Pufferzone: Sienas historisches Zentrum hat es durchaus in sich. Dass die Erhebung zur Weltkulturerbestätte durch die UNESCO erst 13 Jahre nach Florenz folgen sollte, befeuerte die Konkurrenz zwischen den beiden Städten nur, und doch haben beide gewiss ihre Daseinsberechtigung. Warum Siena diesen Status verdient hat, erklärt sich von selbst, wenn du einen Spaziergang durch die Altstadt wagst. Für die UNESCO ist sie das Epitom einer mittelalterlichen Stadt. Das gotische Antlitz, welches sich Siena zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert verpasste, blieb bis in die Gegenwart erhalten, während die Künstler und Architekten der Stadt Kollegen und Zeitgenossen rund um den Globus beeinflussen sollten. Und genau diesen besonderen gotischen Charme siehst und spürst du an allen Ecken und Enden. Hier sind ein paar unserer Favoriten.

Piazza del Campo und der Palio

Sienas historisches Zentrum, UNESCO

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Ausgangspunkt deiner Stadttour ist die Piazza del Campo, der wichtigste und zentralste Platz Sienas. Sein halbrundes und leicht abschüssiges Erscheinungsbild und das Fehlen jeglicher Kirchen und Sakralgebäude macht die Piazza einzigartig; ein rein politisches Zentrum zwischen den Hügeln der Stadt. Wo einst Märkte und Messen stattfanden, tummeln sich heute unzählige Gäste und besuchen eines der vielen Cafés oder strömen in die kleinen, verwinkelten Seitengassen. Auf der höheren Seite erinnert Fonte Gaia, der „Brunnen der Freude“, an die langjährigen Bemühungen einer stabilen Wasserversorgung, welche erst durch eine 25 km lange Leitung gesichert werden konnte. Die Figuren, mittlerweile durch Nachbildungen ersetzt, markieren einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der frühen Renaissance-Plastik.

Was die Piazza del Campo ebenfalls weltberühmt gemacht hat, ist ein besonderes Pferderennen. Der Palio findet zweimal im Jahr – am 2. Juli (Palio di Provenzano) und 16. August (Palio dell’Assunta) statt und schickt die 17 Contraden oder Stadtteile Sienas ins Rennen. Ein historischer Umzug der jeweils zehn teilnehmenden Contraden, jede von ihnen in bunten Farben und mit eigenen Wappen ausgestattet, führt zum Platz. Dieser wird ungesattelt dreimal umrundet, und so ist das Rennen in der Regel nach weniger als zwei Minuten vorbei. Wochenlange Feiern in der siegreichen Contrade prägen in der Folge das Stadtbild.

Palazzo Pubblico

Um die Rolle der Piazza del Campo als Zentrum der politischen Macht hervorzuheben, wurde 1297 der Palazzo Pubblico, das Alte Rathaus, erbaut. Hier befand sich einst der Sitz der republikanischen Regierung und des Konzils der Neun. Die imposante Fassade – teils Naturstein, teils Ziegelmauerwerk – wurde im Laufe der Jahrhunderte erweitert und aufgestockt. Blickfang ist allerdings der von 1325 bis 1344 errichtete Palastturm Torre del Mangia. Dieser musste besonders hoch werden, um das in der Hügelsenke gelegene Stadtbild entsprechend überragen zu können, und genau das ist auch gelungen.

Im Inneren lässt du dich von den prächtigen, ausladenden Sälen begeistern. Der Saal der Landkarten (Sala del Mappamondo) bezieht sich auf eine heute leider nicht mehr zu sehende Weltkarte von Ambrogio Lorenzetti. Martinis weltberühmte Fresken widmen sich der thronenden Madonna und dem Condottiere Guidoriccio da Fogliano. Der Saal des Friedens (Sala della Pace) zeigt einen mächtigen, allegorischen Freskenzyklus von Lorenzetti, der als Schlüsselwerk der europäischen Malerei gilt – einerseits aufgrund der formalräumlichen Figurendarstellung, andererseits aufgrund der frühhumanistischen Züge.

Dom

Eines der wichtigsten Meisterwerke gotischer Architektur in Italien entstand ursprünglich aus einer romanischen Basilika. Das Langhaus blieb in weiten Teilen erhalten und erhielt ein gotisches Gewölbe, dazu kam ab 1260 ein neues Querhaus. Giovanni Pisano übernahm wesentliche Merkmale der nordwesteuropäischen gotischen Baukunst – ein absolutes Novum in Italien – in seinem Figurenprogramm durch Elemente der französischen Kathedralgothik erweitert. Leider blieb die Fassade nach Barocksierungen sowie anschließender Regotisierung nicht original erhalten, und so lässt sich nur erahnen, wie Santa Maria Assunta einst aussah. Im Dombau-Rennen mit Florenz sollte ursprünglich ein Neubau hinzukommen, der jedoch aufgrund der Pestepidemie, einer Wirtschaftskrise und statischen Problemen unvollendet blieb. Einzig die unvollendete Fassade und das Nordseitenschiff blieben über.

Der Dom ist unter anderem für seinen Mosaikfußboden bekannt. Kunstvolle Marmorplatten schaffen den Rahmen für mehr als 50 Felder, welche den gesamten Boden bedecken. Biblische Darstellungen, Allegorien und Propheten wissen zu verzaubern. Das reich geschmückte Gewölbe der Piccolomini-Bibliothek und das Taufbecken im Baptisterium mit Frührenaissance-Charme solltest du dir ebenfalls nicht entgehen lassen.

San Domenico

Am Rande des Stadtkerns, allerdings noch (und erst seit 1430) innerhalb der Stadtmauer befindet sich San Domenico, einer der vier Basiliken von Siena. Die Dominikaner setzten beim 1226 begonnenen Bau auf Schmucklosigkeit, und so sieht der Backsteinbau von außen recht schlicht und funktional aus. Dafür wirken die Kapellen umso eindrucksvoller. Gleich sechs an der Zahl findest du im Querschiff, alle von ihnen kunstvoll ausgestattet. Aber auch die Cappella di Santa Caterina mit imposanter Ausstattung von Niccolò Bensi, die unterirdische Krypta mit Kreuzigungsszenen und der mit Fresken gesäumte Kreuzgang werden dich gewiss beeindrucken.

Das ist natürlich nur ein kleiner Auszug aus den unzähligen Highlights in der Altstadt Sienas. Wir könnten ewig so weitermachen – wenn du ein wenig mehr Zeit mitbringst, solltest du unbedingt Santa Maria dei Servi, San Francesco und das Museo dell’Opera del Duomo besuchen, um nur ein paar weitere Must-Sees zu nennen. Egal, wie viel Zeit zu für deine Reise in die Toskana mitbringst, ein Abstecher nach Siena muss einfach sein!

Villa Romana del Casale bei Piazza Armerina

Villa Romana del Casale

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Bereits zu Zeiten der Römer zog sich die wohlhabende Bevölkerung gelegentlich aufs Land zurück, um sich ein wenig zu erholen und das hektische Treiben der Stadt hinter sich zu lassen. In vorchristlichen Zeiten setzte der Trend zur Villa urbana ein, ein luxuriöses Landgut und zeitweiliger Wohnsitz außerhalb der Stadtmauern. Die Villa Romana del Casale, unweit der Stadt Piazza Armerina auf Sizilien gelegen, ist eines der am besten erhaltenen Landgüter der spätrömischen Zeit und für seine faszinierenden architektonischen Einblicke sowie die prächtigen Bodenmosaike bestens bekannt. Seit 1997 zählt dieses Denkmal des römischen Siziliens sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe und sollte somit unbedingt Teil deiner Reisepläne sein.

Was wir über die Geschichte der Villa wissen

Die römische Kaiserzeit meinte es zunächst nicht gut mit Sizilien. Sklavenarbeit auf den Latifundien führte zu verlassenen Landgütern und spürbarem Niedergang im Stadtleben. Die zunehmende Bedeutung der Provinzen Tripolitanien und Africa als Getreidelieferanten zu Beginn des vierten Jahrhunderts brachte Sizilien hingegen einen Aufschwung und machte es zum Dreh- und Angelpunkt im Handel zwischen den Kontinenten. Neuer Wohlstand erlaubte gewissen Schichten das Leben auf dem Land, wo die prunkvollen Villen nun von Kolonen bebaut wurden.

Wem die Villa Romana del Casale einst gehörte, liegt heute im Dunklen. Glaubte man zunächst die Kaiserresidenz von Maximian oder dessen Sohn Maxentius gefunden zu haben, lauteten andere Hypothesen auf einen Gouverneur oder Konsul. Selbst der genaue Entstehungszeitraum lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit festlegen. Experten vermuten einen Zeitraum von 310 bis 325 n. Chr., die musivische Ausstattung könnte hingegen auf die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts hinweisen. Man ist sich mittlerweile allerdings ziemlich sicher, dass sich die Villa Romana del Casale ursprünglich in Privatbesitz befand.

Wiederentdeckung und Ausgrabungen

Wie so viele andere römische Gebäude ging auch die Villa Romana del Casale zunächst in den Wirren der Geschichte verloren. Sie war zu Zeiten der byzantinischen Vorherrschaft über Sizilien bewohnt, danach entstand hier eine arabische Siedlung, die im 12. Jahrhundert von den Normannen zerstört wurde. Erst 1761 entdeckte man Überreste der Villa und hielt sie zunächst für Überbleibsel der Araberzeit.

Mit Beginn der Ausgrabungen durch Robert Fagan um 1808, 1881 von Luigi Pappalardo weiter intensiviert, offenbarte sich jedoch schnell der wahre Hintergrund dieses architektonischen Schatzes von unmessbarem Wert. Drei Ausgrabungsphasen im 20. Jahrhundert legten Schritt für Schritt den gesamten Komplex frei. 1954 war die gesamte Villa freigelegt, bis 1985 fanden letzte Ausgrabungsarbeiten statt. Selbst kleinere Erdrutsche und ein Farbangriff von Vandalen konnte dem Komplex mit seinen prächtigen Mosaiken nichts anhaben.

Spaziergang durch die Villa Romana del Casale

Villa Romana del Casale, UNESCO

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Die Villa urbana ist vor allem für ihre exzellent erhaltenen Bodenmosaike bekannt. Ein Erdrutsch erwies sich als Glück: Er verschüttete die Mosaike im 12. Jahrhundert und verhinderte Verwitterung, Plünderung und Zerstörung. Bei ersten Ausgrabungen wurden diese prächtigen Mosaike wieder zugeschüttet, um sie vor äußeren Einflüssen zu schützen. Später entstand ein eigener villaartiger Bau zur kompletten Überdachung. Heute kannst du von Stegen auf den antiken Mauern einen Blick auf die imposanten Mosaikräume von oben werfen.

Während die Mosaike als wohl größtes Highlight der Villa Romana del Casale gehen, gibt es auf diesem eindrucksvollen Komplex noch so viel mehr zu sehen und zu entdecken. Folgende Bereiche und Räumlichkeiten musst du unbedingt besuchen:

  • Eingangsbereich mit Vestibül: Der gewaltige Ehrenbogen mit drei Durchgängen führt dich in den Hof und weiter zum Vestibül. Die teilweise erhaltene Ankunftsszene stellt das Erwarten eines wichtigen Gastes dar.
  • Rechteckiges Peristyl: Die typisch korinthischen Säulen des ersten Peristyls führen zu prächtigen Bodenmosaiken mit Tierköpfen, deren Ausrichtung an zwei Stellen wechselt – vermutlich um die Wegführungen innerhalb der Villa hervorzuheben.
  • Peristylräume: Rund um das rechteckige Peristyl erwartet dich eine große Zahl an Diensträumen, Herrschafts- und Schlafzimmern. Der Saal der Jahreszeiten ist mit entsprechenden Darstellungen ausgestattet, in anderen Bereichen findest du ausladende Jagdmosaike, die auf die bevorzugte Freizeitbeschäftigung der Besitzer hinweisen könnten.
  • Basilika: Vier Stufen führen dich in einen von zwei Säulen flankierten großen Saal mit Apsis. Hier wurden wahrscheinlich einst Besucher empfangen, wie der auffällig gestaltete Fußboden aus farbigem Marmor und Porphyr vermuten lässt. Ob diese Basilika tatsächlich liturgische Zwecke erfüllte, ist unklar.
  • Herrschaftsräume: Rund um die Basilika im östlichen Teil der Villa sind mehrere herrschaftliche Zimmerfluchten angeordnet. Der kleinere Bereich gehörte vermutlich der Hausherrin oder dem Sohn, der größere Teil dem Hausherren selbst. Auch hier lässt sich dich von ausladenden Mosaiken mit Jagdszenen und göttlichen Darstellungen verzaubern.
  • Elliptisches Peristyl: Über das rechteckige Peristyl oder den Gang der großen Jagd gelangst du zu diesem Komplex mit Säulen, drei Apsiden und einem Brunnen. Das Medaillon mit männlicher Büste – hierbei könnte es sich um den personifizierten Herbst handeln – ähnelt einem nur wenige Jahre später entstandenen Mosaik im Mausoleum der Constantina in Rom.
  • Thermen: Der Villeneingang führt direkt zu einem Thermenkomplex. Dieser konnte somit auch von Gästen, die nicht in die Herrschaftsräume an sich geführt wurden, betreten werden. Allerdings gab es ebenfalls einen speziellen Zugang für Hausbewohner. Becken-, Turn- und Umkleideräume stellen maritime Motive zur Schau. Ein anderes Mosaik könnte die Hausherrin mit zwei Kindern und zwei Dienern darstellen.

 

Der Gang der großen Jagd

Neben all diesen faszinierenden Räumen und Bereichen nimmt ein Korridor eine Sonderrolle ein. Der Gang der großen Jagd verband einst den privaten und den öffentlichen Teil der Villa auf knapp 66 m Länge miteinander. Seine leichte Erhöhung und der von der Mitte ins Peristyl führende Portikus unterstreichen die Wichtigkeit dieses großartigen Ganges mit beeindruckenden Bodenmosaiken.

Tatsächlich bildet die große Jagd eine gewaltfreie Fangaktion von Tieren für die Spiele in Rom ab, die Waffen dienen nur der Verteidigung. Sieben unterschiedliche Szenen, von zumindest zwei Mosaiklegergruppen ausgeführt, lassen sich identifizieren. Zunächst werden Tiere in den verschiedensten Bereichen der Provinz Africa, danach in Ägypten und schließlich in Indien gefangen. Transport- und Verladungsszenen und die Tötung eines angreifenden Löwen sind ebenfalls zu sehen. Figurenbilder und stilistische Pluralität markieren den schrittweisen Übergang von der römischen zur byzantinischen Kunst. Gemeinsam mit den Peristylraummosaiken legt der Gang der großen Jagd die Vermutung nahe, dass es sich bei diesem Landgut ebenfalls um ein Jagdhaus gehandelt haben könnte.

Diese einzigartige Villa urbana in der Provinz Enna vermittelt faszinierende Einblicke in die spätere Geschichte Roms, in den großen Aufschwung Siziliens als Handelsdrehscheibe und das Leben der wohlhabenden Bevölkerungsschicht im vierten Jahrhundert. Lass dich in den Bann der mannigfaltigen Mosaike und liebevoll restaurierten Gänge und Gebäude ziehen – die Villa Romana del Casale darf in deinen Urlaubsplänen auf keinen Fall fehlen!

UNESCO-Weltkulturerbestätte Crespi d’Adda

UNESCO-Weltkulturerbestätte Crespi d'Adda

©Bigstock.com/johannes86

Der industrielle Boom des 19. Jahrhunderts machte auch vor Italien nicht Halt. Von Nord bis Süd schossen Fabriken förmlich aus dem Boden und revolutionierten mit ihren Produktionsmethoden und der dazugehörigen Infrastruktur das Leben zwischen Stadt und Land. Textilfabrikant Cristoforo Benigno Crespi suchte nach einem neuen Fabrikstandort und baute diesen zu Crespi d’Adda aus. Dieses Textil- und Arbeiterdorf in der Lombardei gilt als Juwel der Industriearchäologie und wurde 1995 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Seit Schließung der Fabrik im Jahr 2004 ist der Standort allerdings bedroht, seine Zukunft offen.

Die Färberdynastie Crespi

Im 18. und 19. Jahrhundert war Crespi ein klingender Name in der italienischen Textilindustrie. Die Färberfamilie baute ihre Vormachtstellung im Laufe der Jahrzehnte aus, expandierte umfassend und setzte auf neue Geschäftszweige. Mit der Herstellung von Baumwollprodukten hatten die Crespi eine wahre Goldgrube entdeckt, eine neue Fabrik musste her. Dafür suchte der 1833 in Busto Arsizio (ca. 35 km südlich von Mailand gelegen) geborene Cristoforo Benigno Crespi nach einem geeigneten Standort.

Crespi erwarb ein Stück Land, ca. 100 km östlich seines Geburtsortes gelegen, und begann mit dem Bau einer Fabrik. Angesichts des etwas abgelegenen Standorts mussten schnell weitere Bauten her, und so entstand ab 1878 eine komplette Planstadt mit Unterkünften und Infrastruktur für Fabrikarbeiter. Sein Sohn und Erbe Silvio Crespi übernahm des Unternehmen im Jahr 1906 und baute es weiter aus. Der junge Crespi galt als einer der einflussreichsten italienischen Industriellen, zählte zu den Unterzeichnern des Friedensvertrags von Versailles und musste seine Firma erst 1929 im Zeichen der Weltwirtschaftskrise und der brutalen faschistischen Finanzpolitik aufgeben. Die Fabrik selbst sollte noch bis ins neue Jahrtausend produzieren.

Ein Dorf auf dem Reißbrett

Cristoforo Benigno Crespi holte modernste Produktionsmethoden aus England in seine Baumwollspinnerei. Dafür benötigte er Wasserkraft in rauen Mengen, und so entschied er sich für eine grüne Wiese auf der Halbinsel Isola Bergamasca, von den Flüssen Adda und Brembo eingerahmt. Auf sein Geheiß wurde ein paar Jahrzehnte später ein eigenes Wasserkraftwerk im wenige Kilometer flussaufwärts gelegenen Trezzo errichtet.

Die Fabrik an sich nahm ihre Arbeit bereits 1875 auf, doch schnell merkte der Großindustrielle, dass die etwas abgelegene Lage suboptimal war – für seine Arbeiter und für Crespi selbst. Unterkünfte und Infrastruktur mussten her, und zwar möglichst schnell. So ließ er neben der Baumwollspinnerei ein kleines Dorf errichten. Mehrparteienhäuser, ein Krankenhaus sowie eine Kirche mit Friedhof, eine Schule (auf dem Stundenplan fand sich natürlich das Fach „Baumwollverarbeitung“), ein Theater und ein Waschhaus wurden in Rekordzeit hochgezogen.

Klingt spektakulär? Was, wenn wir dir verraten, dass Crespi d’Adda außerdem das erste italienische Dorf mit moderner Straßenbeleuchtung war? Noch im 19. Jahrhundert machte sich Crespi Edisons Beleuchtungskonzept zu eigen und sorgte für mehr Helligkeit entlang der Wege. Durch dieses freundliche Schimmern bei Nacht erhöhte er nicht nur die Produktivität seiner Fabrik, sondern gleichzeitig die Lebensqualität im Dorf. Sein Sohn sollte Crespi d’Adda allerdings zu noch größeren Höhen führen.

Silvio Crespis Planstadt-Evolution

Cristoforos Sohn Silvio unternahm viele Reisen, bevor er sich um die Geschicke des Unternehmens kümmern dürfte. Einer dieser Trips führte ihn ins britische Oldham, ein weiterer Hotspot der Textilindustrie im 19. Jahrhundert. Hier holte er sich nicht nur Knowhow um neue Produktionstechniken und Formen der Arbeitsteilung, sondern ließ ebenso den industriellen Charme der Stadt auf sich wirken und fand neue Inspiration für den weiteren Ausbau von Crespi d’Adda.

Silvio Crespi sah Missstimmung und Unzufriedenheit als größtes drohendes Problem seines geerbten Industriedorfs. Deswegen verabschiedete er sich langsam aber sicher von den Mehrparteienhäusern und begann ab 1892 mit der Errichtung neuer Arbeiterunterkünfte. Crespi d’Adda erhielt unter seiner Führung Einfamilienhäuser mit Gärten. Diese sollte für mehr Harmonie und Ausgeglichenheit sorgen. Tatsächlich gab es in den gesamten 50 Jahren der Crespi-Familienleitung weder Streiks noch gröbere soziale Spannungen.

Führung durch Crespi d’Adda

Wenn du heute nach Crespi d’Adda reist, triffst du auf einen Ort, in dem die Zeit stehengeblieben ist. Seit den 1920er Jahren hat sich das Dorf kaum verändert. Spätere Eigentümer verkauften einen Großteil der Häuser an (ehemalige) Arbeiter und seit 2004 liegt die Fabrik komplett still. Mittlerweile wohnen nur mehr ca. 450 Menschen, größtenteils Hauseigentümer, in der einst florierenden Planstadt.

Klingt nach einer Geisterstadt? Nicht ganz, denn noch leben mehr als genug Menschen hier. Das Dorfleben ist durchaus lebendig und so solltest du dich bei der Besichtigung an lokale Gepflogenheiten halten – am besten im Rahmen einer geführten Tour, denn dein Guide weiß am besten, welche Plätze und Gebäude du tatsächlich besuchen kannst, begleitet von spannenden Informationen zur eindrucksvollen Geschichte dieses Vorzeigedorfes.

Schnurgerade, wie mit dem Lineal gezogene Straßen, sorgsam aufgereihte Einzelhäuser mit dem jeweils gleichen niedrigen Begrenzungszaun und einem Gemüsegarten, das Ortsbild von hoch aufragenden Fabrikschornsteinen geprägt – kein Wunder, dass Crespi d’Adda als Idealbildnis der Industriestadt galt und gilt. Etwas weiter südlich findest du die Villen der höheren Angestellten und der Betriebsführung, das alte Badehaus – mittlerweile zum Hallenbad umgebaut – die kleine Renaissance-Kirche (eine exakte Kopie der Kirche aus Crespis Heimatort Busto Arsizio) und den großen Arbeiterfriedhof mit Familienmausoleum. Durch dieses Dorf zu spazieren, ist ein unwirkliches Erlebnis, faszinierend und wunderschön, aber auch auf gewisse Weise beklemmend. Wie lange das noch möglich sein wird, ist aktuell offen.

Die Zukunft von Crespi d’Adda

Hinter dem Status als Weltkulturerbestätte steht aktuell allerdings ein großes Fragezeichen. Die UNESCO beharrt auf der Erhaltung des Status Quo als industrielle Planstadt und würde am liebsten wohl neue Fabrikbesitzer oder aber die Einrichtung von kulturellen und forschenden Institutionen sehen. Wie zeitgemäß und realistisch dies ist, sei wohl dahingestellt. Laufend bekunden Investoren ihr Interesse an Crespi d’Adda, wollen jedoch große Hotelanlagen auf dem ehemaligen Fabrikgelände errichten.

Seit 2013 bemüht sich der Unternehmer Antonio Percassi um Crespi d’Adda. Der ehemalige Spieler und Präsident des Fußballvereins Atalanta Bergamo arbeitete mehrere Jahrzehnte eng mit Benetton zusammen, gründete verschiedene Kosmetikfirmen und ließ ein großes Einkaufszentrum in der Region erbauen. Percassi möchte den Ort zum Hauptquartier seines Firmenimperiums und seiner Familienstiftung umbauen lassen. Damit stößt er allerdings auf wenig Gegenliebe, das Projekt liegt aktuell mangels entsprechender Genehmigungen brach. Eine Annäherung zwischen Politik und Unternehmer wird seit Sommer 2018 wieder versucht, bislang jedoch ohne nennenswertes Ergebnis.

Was auch immer mit Crespi d’Adda in der nahen oder fernen Zukunft passieren wird, dieses Idealbild der Industriesiedlung ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Lass dich von der einzigartigen Planstruktur verzaubern, besuche die sympathischen kleinen Straßen und erlebe den ungewöhnlichen wie eindrucksvollen Kontrast zwischen niedlichen Arbeiterhäusern, ausladenden Villen und mächtiger Fabrikarchitektur hautnah. Viel Spaß bei deiner Tour!