Alte Buchenwälder und Buchenurwälder in Italien

Buchenurwälder in Italien

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Die meisten UNESCO-Weltkulturerbestätten beschränken sich auf einen Ort oder eine Region, überschreiten nur selten Grenzen. Und doch gibt es die eine oder andere, durchaus gigantische Ausnahme. Eine von ihnen wurde unter der etwas überlangen Bezeichnung „Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“ zusammengefasst. Bis zur Erweiterung im Jahr 2017 beschränkte sich diese Stätte auf mehrere Gebiete in Deutschland, der Slowakei und der Ukraine, mittlerweile gehören aber auch verschiedene Regionen in Albanien, Belgien, Bulgarien, Kroatien, Österreich, Rumänien, Slowenien und Spanien dazu – und natürlich Italien. Sechs wunderschöne Gebiete mit einer Gesamtfläche von 2.127 ha ziehen sich durch weite Teile des Landes. Bist du bereit für dieses besonders naturnahe Erlebnis?

Was die Buchen(ur)wälder schützenswert macht

Warum aber haben es gerade „ein paar Wälder“ auf die illustre Weltkulturerbe-Liste geschafft? Nun, die alten Buchenwälder und Buchenurwälder sind alles andere als das. Als Zeugen der letzten Eiszeit bedecken sie Mitteleuropa. Ihre Zahl und Fläche schrumpfte im Laufe der Jahrhunderte aufgrund von ausgedehnter Besiedlung und Industrialisierung jedoch deutlich. Entsprechend schützenswert zeigen sie sich als Zeugen ökologischer und evolutionsbiologischer Entwicklung. Die europäische Rotbuche an sich gilt als unwahrscheinlich anpassungsfähig und überstand selbst intensive Umweltveränderungen eindrucksvoll. Gleichzeitig verläuft ihre Expansion parallel zur Sesshaftigkeit der Menschen. Die forstwirtschaftliche Nutzung der Buche ab dem Mittelalter mit gleichzeitigem Rückgang der Buchenurwälder ist somit auch von großer kulturwissenschaftlicher Bedeutung.

Buchenurwälcer in Italien, UNESCO

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Die geschützten Buchenwälder befinden sich in weitestgehend unberührten Gefilden und den verschiedensten Klimazonen von alpin bis mediterran. Auch die sechs Standorte der alten Buchenwälder und Buchenurwälder in Italien liegen an beiden Küsten in einigen der malerischsten Regionen und illustrieren die Vielseitigkeit dieses einzigartigen Baumes perfekt. Du möchtest mehr über die einzelnen Teilgebiete der italienischen UNESCO-Weltkulturerbestätte erfahren? Zeit für eine kleine Rundreise.

Nationalpark Abruzzen, Latium und Molise

In einem der größten Nationalparks des Landes findest du auch die größte Fläche an Buchenwäldern im italienischen Teil des Schutzgebietes. Stolze 936 ha verteilen sich auf die bewaldeten Coppo del Morto, Selva Moricento, Val Fondillo, Valle Cervara und Coppo del Principe. Die Buchen im Valle Cervara auf einer Seehöhe von bis zu 1.850 m sind bis zu 560 Jahre alt. Das macht sie zu den ältesten ihrer Art in ganz Europa, ja sogar der gesamten Nordhalbkugel! Im Val Fondillo fließen hingegen mehrere Bäche, welche den ohnehin bereits einzigartigen Lebensraum noch weiter beleben. Seltene Tierarten, wie der Feuersalamander, bevölkern diesen Feuchtwald. Aber auch die übrigen Buchenwälder im Nationalpark Abruzzen, Latium und Molise zeichnen sich durch Blumen- und Artenvielfalt aus. Wölfe und Braunbären haben hier ein Zuhause gefunden, ebenso der Zilpzalp sowie seltene Moose und Pilze.

Nationalpark Pollino

Im Gegensatz dazu läuft der alte Buchenwald von Cozzo Ferriero in Rotonda eher unter dem Motto „klein, aber fein“. Die 96 Hektar in der Provinz Potenza in der Basilikata an der Grenze zu Kalabrien sind eine Spur jünger – bis zu 500 Jahre alt – und zugleich Kern des südlichsten alten Buchenwaldvorkommens in Europa. Die imposanten Baumriesen auf bis zu 1.750 m Seehöhe liefern Forschern interessante Einblicke in die Effekte und Auswirkungen des Klimawandels auf die Baumpopulation. Geführte Wanderungen und Bergtouren auf durchaus steilen Pfaden bringen dich diesem Naturidyll in kleinen Gruppen näher – Trittsicherheit und Bergerfahrung sind allerdings Pflicht.

Nationalpark Gargano

Eigentlich ist der gewaltige Nationalpark in Apulien für seine ausladenden Pinienwälder bekannt. In der Region Foresta Umbra, was übersetzt in etwa so viel wie „dunkler Wald“ oder „schattiger Wald“ heißt, dominieren hingegen unsere Buchen das Geschehen. Das Gebiet ist in vier Zonen unterteilt. D und C laden zu herrlichen Spaziergängen ein, während B das eigentliche Naturschutzgebiet beheimatet. Hier darf die Tier- und Pflanzenwelt auf keinen Fall gestört werden. Das schwer zugängliche Herz des Waldes, Zone A, ist hingegen für alle Spaziergänger und Touristen gesperrt. Aus dem Restbestand des Nemus Garganicum, einer der größten Laubwälder Mitteleuropas, ragt die Steineiche von Vico del Gargano vor einem Franziskanerkloster hervor. Um sie rankt sich so manche Legende.

Monte Cimino

Knapp 60 Hektar Buchenwald finden sich am 1.053 m hohen Monte Cimino, Teil eines kleinen Mittelgebirges in der Provinz Viterbo in Latium. Hier findest du echte Überlebenskünstler, denn im Laufe der Jahrhunderte wurden viele Buchenwälder im stellenweise seit der Bronzezeit bewohnten Siedlungsgebiet durch Kahlschlag und selektives Herausschlagen sukzessive in Lärchenwald umgewandelt. Schnell wurden die Buchen-Überreste unter Naturschutz gestellt. Sie sind heute nur stellenweise durch Spazier- und Wanderwege erschlossen, liegen dafür mitten in einer historisch besonders wertvollen Region.

Naturpark Bracciano – Martignano

In der Nähe von Oriolo Romano liegt der niedrigste Buchenwald im italienischen Weltkulturerbe-Gebiet. Die vergleichsweise flache Lage des Monte Raschio auf 542 m Seehöhe ist für sich bereits außergewöhnlich. Warum konnte die Buche im Naturpark Bracciano – Martignano im malerischen Latium dennoch wachsen und gedeihen, wirst du dich fragen? Dafür ist der hervorragende Boden verantwortlich. Ein überdurchschnittlich großer Anteil an Vulkanerde ließ die Giganten förmlich in die Höhe sprießen. Sie spenden prächtigen Schatten auf genussvollen Spaziergängen.

Nationalpark Foreste Casentinesi

Abschließend zieht es dich in die Emilia Romagna. Hier reist du nach Sasso Fratini, ein bereits seit 1959 bestehendes Schutzgebiet, das nur schwer erreichbar ist. Die schroffen, felsigen Abhänge verhinderten die (forst-)wirtschaftliche Erschließung, Zugangswege sind kaum vorhanden. Entsprechend konnten die alten Buchen herrlich wachsen und gedeihen. Manche von ihnen sind über 500 Jahre alt, der Zutritt zu diesem Naturreservat ist jedoch strengstens untersagt. Aber keine Sorge, zahlreiche Wander- und Spazierwege durch den Nationalpark Foreste Casentinesi, der übrigens bis in die Toskana reicht, führen dich in unmittelbare Nähe der prächtigen Baumgiganten. Bestimmt kannst du den einen oder anderen erspähen.

Bist du bereit für deine Ausflüge in die majestätische Natur Italiens? Auch wenn du meist nicht bis zu den alten Buchenwäldern und Buchenurwäldern an sich vordringen kannst – aus gutem Grund, wie du bestimmt verstehst – so erwarten dich dennoch viele aktiven Möglichkeiten, die Parks und Schutzgebiete in aller Ruhe zu erkunden und zu erleben. Es gibt nur wenige Orte, wo Naturgeschichte so greifbar ist, wie an diesen sechs Fleckchen. Lass uns gemeinsam dafür sorgen, dass es auch noch lange so bleibt.

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