Vicenzas Altstadt und die Villen Palladios

Am 30. November 1508 wurde der wohl wichtigste Renaissance-Architekt Oberitaliens in Padua geboren. Andrea di Pietro della Gondola, Palladio genannt, war der erste Berufsarchitekt seiner Zeit. Von der römischen Antike und anderen Renaissance-Architekten inspiriert, arbeitete Palladio als Theoretiker und Praktiker. Ab 1540 drückte er Vicenza seinen Stempel auf. Kümmerte er sich zunächst nur um einige Villen in der Umgebung, stieg er schon bald zum wichtigsten Baumeister der Stadt auf. 23 seiner Bauwerke in der Altstadt sowie 24 Villen in der Region Venetien wurden 1994 und 1996 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Zeit für eine kleine Rundreise.

Über Andrea Palladio

Villen Palladios, UNESCO

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Bevor wir dich auf einen Rundgang durch Vicenzas Altstadt schicken, gibt es ein paar Informationen zur Person Andrea Palladio. Als Sohn eines Müllers waren die Voraussetzungen für eine große Karriere eher suboptimal, die Förderung durch den Bildhauer Vincenzo Grandi, Palladios Taufpate, ermöglichte ihm jedoch die Ausbildung zum Steinmetz und Bildhauer. 1536 lernte er Gian Giorgio Trissino kennen. Der 30 Jahre ältere Dichter und Philosoph erkannte seine Begabung sofort, förderte ihn und gab ihm den Beinamen Palladio. Besonders wichtig war die Finanzierung einer Reise nach Rom, wo der werdende Architekt und Baumeister römische Bauten intensiv studierte.

Bis sich Palladio in Vicenza behaupten konnte, sollte es 1549 werden, als sein Plan für die Umgestaltung des Palazzo della Ragione einen Wettbewerb gewinnen konnte. Was nun folgte, war ein kometenhafter Aufstieg, der Palladio sogar zeitweise nach Venedig führte. Seine selbstillustrierten Werke über römische und Renaissance-Architektur brachten ihn in eine Theoretiker-Liga mit Leon Battisti Alberti und sollten aufstrebende Baumeister über Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte maßgeblich beeinflussen. Palladios letzter Bau, ein Entwurf für das Teatro Olimpico, wurde erst vier Jahre nach seinem Tod am 19. August 1580 fertiggestellt.

Vicenzas Altstadt

Vicenzas Altstadt, UNESCO

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An so ziemlich jeder Ecke der Altstadt von Vicenza findet sich ein Bauwerk, das Andrea Palladio zugeschrieben wird. Der umtriebige Renaissancearchitekt hinterließ ein gewaltiges Erbe, seine Bauwerke waren Meilensteine ihrer Zeit und begleiten deinen Stadtrundgang. Hier sind drei Meisterleistungen, die du unbedingt besuchen und besichtigen solltest.

Basilica Palladiana

Nachdem der Kernbau des Palazzo della Ragione Ende des 15. Jahrhunderts teilweise eingestürzt war, sollte es über 50 Jahre dauern, bis ein neuer Entwurf umgesetzt wurde. Der damals unbekannte Palladio erhielt den Zuschlag, die Fertigstellung erfolgte allerdings erst 34 Jahre nach seinem Tod. Die Basilica Palladiana, wie das Gebäude heute genannt wird, erhielt ein komplett repräsentatives Antlitz mit weißem Marmor, Triumphbogenschema und Venezianischem Fenster. Die beinahe identische Gestaltung beider Stockwerke war für die damalige Zeit ungewöhnlich, gerade für ein öffentliches Gebäude. Ein Blick auf das Dach legt den großen Ratssaal, von allegorischen Figuren umgeben, frei. Heute findest du verschiedene Geschäfte im Erdgeschoß, während das Obergeschoß vor allem für wechselnde Ausstellungen genutzt wird.

Palazzo Chiericati

Häufige Überschwemmungen suchten die heutige Piazza Matteotti einst heim. Palladio ließ den Palazzo Chiericati durch eine Art Krepis, der antike Stufenunterbau griechischer Tempelanlage, erhöhen und schützen. Den Zuschlag für den Palast des Grafen Girolamo Chiericati erhielt der Baumeister übrigens aufgrund seiner eindrucksvollen Basilika. Entsprechend vertraut und doch etwas anders wirkt die imposante Renaissance-Fassade des Palazzo mit drei Loggien, ionischen und dorischen Säulen sowie symmetrischer Anordnung rund um den Innenhof. Begeisternde Deckengemälde und Fresken begleiten deine Besichtigungstour durch das heutige Museo Civico mit Kunst aus der Region.

Teatro Olimpico

Mit dem Ende der Antike verschwand das freistehende Theatergebäude komplett aus der europäischen Architektur. Die von Palladio mitgegründete Olympische Akademie von Vicenza bekundete großes Interesse an der Bühnenkunst, und so entwarf der Architekt kurz vor seinem Tod diese Neuinterpretation des römischen Theaters, von seinem Sohn Silla und später Vicenzo Scamozzi schließlich umgesetzt und abgeschlossen. Die klassische Zusammensetzung aus Zuschauerraum, Bühne und Palastfront-Bühnenhaus wurde frei realisiert. Das prächtige Mittelportal, der imposante Säulengang und die erst später hinzugefügten Statuen zu Ehren der Akademiegründer geben dem Theater ein monumentales Gesicht. Eingeweiht wurde das Teatro Olimpico übrigens durch eine Darbietung von Sophokles‘ König Ödipus.

Weitere wichtige Altstadtbauten

Ja, das waren tatsächlich nur drei von 23 Bauten in Vicenzas Altstadt, für welche sich der legendäre Baumeister verantwortlich zeichnete. Du möchtest noch mehr Palladio sehen? Verständlich. Hier sind einige weitere Tipps für deine Stadttour:

  • Palazzo del Capitaniato: Auch als Loggia Bernarda bekannt, beherbergt der Palast heute unter anderem den Stadtrat. Die mit Stuck verzierte Fassade und die etwas unorthodoxe Farbgebung machen ihn zu einem echten Hingucker.
  • Arco delle Scalette: Am Südosteingang zur Altstadt erhebt sich der gewaltige Bogen. 192 kleine Stufen führen zum Heiligtum von Monte Berico. Die gewaltige Architektur mit imposanten Statuen fällt im besten Sinne aus dem Rahmen.
  • Palazzo Iseppo Porto: Ein weiteres Frühwerk Palladios wurde für die einflussreiche Familie Porto erstellt. Die ausladende dreiteilige Fassade mit Rustika, Mezzaningeschoß und Piano Nobile gibt sich leger aufgestockt und beeindruckt mit harmonischen Proportionen.

 

Palladios Villen

Widmete sich die UNESCO-Weltkulturerbestätte zunächst nur den Altstadtbauten, wurde sie bereits zwei Jahre später um 24 weitere Villen in der gesamten Region Venetien erweitert. All diese prachtvollen Gebäude aufzulisten, würde gewiss den Rahmen sprengen. Hier sind einige ausgewählte Highlights für deinen nächsten Venetien-Urlaub:

  • La Rotonda: Diese Villa liegt auf einer Anhöhe am Stadtrand Vicenzas und wurde für einen hohen Beamten von Papst Pius IV erbaut. Palladio ließ sich unter anderem vom Vesta- und Romulustempel, aber auch dem Pantheon Roms inspirieren. Die gewaltige Kuppel und die harmonische Symmetrie sprechen Bände.
  • La Malcontenta: Mira an der Mündung des Brenta-Kanals beheimatet die repräsentative Villa der Gebrüder Foscari, von Venedig auf dem Wasserweg zu erreichen. So schlicht die mit grafischem Putzmuster dekorierten Fassaden-Quader aussehen mögen, so begeisternd wirkt die Freskenausstattung im Inneren.
  • Villa Thiene: Unweit von Vicenza in Quinto Vicentino erhebt sich ein zweistöckiger Bau, der ursprünglich wesentlich größer und gewaltiger hätte ausfallen sollen. Tatsächlich wurden nur Teile von Palladios Plänen umgesetzt, und so wirkt die Villa heute stellenweise etwas uneinheitlich. Dieses – innen wie außen – unruhige Erscheinungsbild macht sie allerdings umso reizvoller.

 

Dieser Auszug ist selbstverständlich nur ein kleiner Vorgeschmack auf die architektonische Pracht und Vielfalt Vicenzas und der umliegenden Regionen. Andrea Palladios Handschrift ist nicht nur in der Altstadt allgegenwärtig und unterstricht die besondere Rolle des Architekten und Baumeisters in der oberitalienischen Renaissance. Lass dich auf eine kleine Zeitreise entführen – viel Spaß bei einem mit Sicherheit unvergesslichen Aufenthalt!

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