Sienas historisches Zentrum

Sienas historisches Zentrum

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Florenz oder Siena? Nicht nur für Urlauber ist das eine Glaubensfrage, denn die beiden toskanischen Städte befinden sich seit Jahrhunderten in einer großen künstlerischen und politischen Rivalität. Auf architektonischer Ebene lassen sich allerdings deutliche Unterschiede erkennen, denn während Florenz das Paradebeispiel für Renaissance-Charme ist, dreht sich in Siena so ziemlich alles um die italienische Gotik mit mittelalterlichen Untertönen. Hier befindet sich eine der ältesten Universitäten des Landes, eines der berühmtesten Pferderennen der Welt und eine besonders schöne UNESCO-Weltkulturerbestätte. Die historische Altstadt erhielt diese Würde bereits 1995 und strahlt bis heute ungebrochene Faszination aus. Warum das so ist und welche Plätze und Schätze du unbedingt besuchen musst, verraten wir dir nur zu gerne.

Siena damals und heute

Die eigentliche Geschichte Sienas beginnt im Mittelalter, die Wurzeln der Stadt reichen allerdings viel weiter zurück. Sie wurde vermutlich von den Etruskern gegründet und „Saena“ genannt, erhielt später den Status einer römischen Colonia und begann unter den Langobarden einen langen, beständigen Aufstieg. Als Siena seinen Einfluss und seine Besitztümer im Mittelalter vergrößerte, entstand ein Konflikt mit Florenz auf vielen Ebenen, der zu steten Unruhen und sogar kleineren Kriegen führte. Man versöhnte sich allerdings immer wieder recht schnell.

Die Republik Siena sollte stolze 400 Jahre bestehen bleiben – eine Ära, die von steten innenpolitischen Umwälzungen und zahlreichen Konflikten, unter anderem mit Neapel und dem Papsttum, geprägt war. Eine schwere Pestepidemie um 1348 und finanzielle Fehlinvestitionen verstärkten die Unruhen, doch erst 1555 ergab man sich der Allianz von Spanien und dem Herzogtum Florenz. Siena wurde Teil des Großherzogtums Toskana und verlor seine politische Macht. An der architektonischen Pracht, die selbst Kriege und Bombenangriffe verhältnismäßig gut überstand, sollte das allerdings nicht rütteln.

Willkommen in der Altstadt

170 ha Weltkulturerbe-Fläche, weitere 9.907 ha Pufferzone: Sienas historisches Zentrum hat es durchaus in sich. Dass die Erhebung zur Weltkulturerbestätte durch die UNESCO erst 13 Jahre nach Florenz folgen sollte, befeuerte die Konkurrenz zwischen den beiden Städten nur, und doch haben beide gewiss ihre Daseinsberechtigung. Warum Siena diesen Status verdient hat, erklärt sich von selbst, wenn du einen Spaziergang durch die Altstadt wagst. Für die UNESCO ist sie das Epitom einer mittelalterlichen Stadt. Das gotische Antlitz, welches sich Siena zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert verpasste, blieb bis in die Gegenwart erhalten, während die Künstler und Architekten der Stadt Kollegen und Zeitgenossen rund um den Globus beeinflussen sollten. Und genau diesen besonderen gotischen Charme siehst und spürst du an allen Ecken und Enden. Hier sind ein paar unserer Favoriten.

Piazza del Campo und der Palio

Sienas historisches Zentrum, UNESCO

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Ausgangspunkt deiner Stadttour ist die Piazza del Campo, der wichtigste und zentralste Platz Sienas. Sein halbrundes und leicht abschüssiges Erscheinungsbild und das Fehlen jeglicher Kirchen und Sakralgebäude macht die Piazza einzigartig; ein rein politisches Zentrum zwischen den Hügeln der Stadt. Wo einst Märkte und Messen stattfanden, tummeln sich heute unzählige Gäste und besuchen eines der vielen Cafés oder strömen in die kleinen, verwinkelten Seitengassen. Auf der höheren Seite erinnert Fonte Gaia, der „Brunnen der Freude“, an die langjährigen Bemühungen einer stabilen Wasserversorgung, welche erst durch eine 25 km lange Leitung gesichert werden konnte. Die Figuren, mittlerweile durch Nachbildungen ersetzt, markieren einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der frühen Renaissance-Plastik.

Was die Piazza del Campo ebenfalls weltberühmt gemacht hat, ist ein besonderes Pferderennen. Der Palio findet zweimal im Jahr – am 2. Juli (Palio di Provenzano) und 16. August (Palio dell’Assunta) statt und schickt die 17 Contraden oder Stadtteile Sienas ins Rennen. Ein historischer Umzug der jeweils zehn teilnehmenden Contraden, jede von ihnen in bunten Farben und mit eigenen Wappen ausgestattet, führt zum Platz. Dieser wird ungesattelt dreimal umrundet, und so ist das Rennen in der Regel nach weniger als zwei Minuten vorbei. Wochenlange Feiern in der siegreichen Contrade prägen in der Folge das Stadtbild.

Palazzo Pubblico

Um die Rolle der Piazza del Campo als Zentrum der politischen Macht hervorzuheben, wurde 1297 der Palazzo Pubblico, das Alte Rathaus, erbaut. Hier befand sich einst der Sitz der republikanischen Regierung und des Konzils der Neun. Die imposante Fassade – teils Naturstein, teils Ziegelmauerwerk – wurde im Laufe der Jahrhunderte erweitert und aufgestockt. Blickfang ist allerdings der von 1325 bis 1344 errichtete Palastturm Torre del Mangia. Dieser musste besonders hoch werden, um das in der Hügelsenke gelegene Stadtbild entsprechend überragen zu können, und genau das ist auch gelungen.

Im Inneren lässt du dich von den prächtigen, ausladenden Sälen begeistern. Der Saal der Landkarten (Sala del Mappamondo) bezieht sich auf eine heute leider nicht mehr zu sehende Weltkarte von Ambrogio Lorenzetti. Martinis weltberühmte Fresken widmen sich der thronenden Madonna und dem Condottiere Guidoriccio da Fogliano. Der Saal des Friedens (Sala della Pace) zeigt einen mächtigen, allegorischen Freskenzyklus von Lorenzetti, der als Schlüsselwerk der europäischen Malerei gilt – einerseits aufgrund der formalräumlichen Figurendarstellung, andererseits aufgrund der frühhumanistischen Züge.

Dom

Eines der wichtigsten Meisterwerke gotischer Architektur in Italien entstand ursprünglich aus einer romanischen Basilika. Das Langhaus blieb in weiten Teilen erhalten und erhielt ein gotisches Gewölbe, dazu kam ab 1260 ein neues Querhaus. Giovanni Pisano übernahm wesentliche Merkmale der nordwesteuropäischen gotischen Baukunst – ein absolutes Novum in Italien – in seinem Figurenprogramm durch Elemente der französischen Kathedralgothik erweitert. Leider blieb die Fassade nach Barocksierungen sowie anschließender Regotisierung nicht original erhalten, und so lässt sich nur erahnen, wie Santa Maria Assunta einst aussah. Im Dombau-Rennen mit Florenz sollte ursprünglich ein Neubau hinzukommen, der jedoch aufgrund der Pestepidemie, einer Wirtschaftskrise und statischen Problemen unvollendet blieb. Einzig die unvollendete Fassade und das Nordseitenschiff blieben über.

Der Dom ist unter anderem für seinen Mosaikfußboden bekannt. Kunstvolle Marmorplatten schaffen den Rahmen für mehr als 50 Felder, welche den gesamten Boden bedecken. Biblische Darstellungen, Allegorien und Propheten wissen zu verzaubern. Das reich geschmückte Gewölbe der Piccolomini-Bibliothek und das Taufbecken im Baptisterium mit Frührenaissance-Charme solltest du dir ebenfalls nicht entgehen lassen.

San Domenico

Am Rande des Stadtkerns, allerdings noch (und erst seit 1430) innerhalb der Stadtmauer befindet sich San Domenico, einer der vier Basiliken von Siena. Die Dominikaner setzten beim 1226 begonnenen Bau auf Schmucklosigkeit, und so sieht der Backsteinbau von außen recht schlicht und funktional aus. Dafür wirken die Kapellen umso eindrucksvoller. Gleich sechs an der Zahl findest du im Querschiff, alle von ihnen kunstvoll ausgestattet. Aber auch die Cappella di Santa Caterina mit imposanter Ausstattung von Niccolò Bensi, die unterirdische Krypta mit Kreuzigungsszenen und der mit Fresken gesäumte Kreuzgang werden dich gewiss beeindrucken.

Das ist natürlich nur ein kleiner Auszug aus den unzähligen Highlights in der Altstadt Sienas. Wir könnten ewig so weitermachen – wenn du ein wenig mehr Zeit mitbringst, solltest du unbedingt Santa Maria dei Servi, San Francesco und das Museo dell’Opera del Duomo besuchen, um nur ein paar weitere Must-Sees zu nennen. Egal, wie viel Zeit zu für deine Reise in die Toskana mitbringst, ein Abstecher nach Siena muss einfach sein!

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