Villa Romana del Casale bei Piazza Armerina

Villa Romana del Casale

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Bereits zu Zeiten der Römer zog sich die wohlhabende Bevölkerung gelegentlich aufs Land zurück, um sich ein wenig zu erholen und das hektische Treiben der Stadt hinter sich zu lassen. In vorchristlichen Zeiten setzte der Trend zur Villa urbana ein, ein luxuriöses Landgut und zeitweiliger Wohnsitz außerhalb der Stadtmauern. Die Villa Romana del Casale, unweit der Stadt Piazza Armerina auf Sizilien gelegen, ist eines der am besten erhaltenen Landgüter der spätrömischen Zeit und für seine faszinierenden architektonischen Einblicke sowie die prächtigen Bodenmosaike bestens bekannt. Seit 1997 zählt dieses Denkmal des römischen Siziliens sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe und sollte somit unbedingt Teil deiner Reisepläne sein.

Was wir über die Geschichte der Villa wissen

Die römische Kaiserzeit meinte es zunächst nicht gut mit Sizilien. Sklavenarbeit auf den Latifundien führte zu verlassenen Landgütern und spürbarem Niedergang im Stadtleben. Die zunehmende Bedeutung der Provinzen Tripolitanien und Africa als Getreidelieferanten zu Beginn des vierten Jahrhunderts brachte Sizilien hingegen einen Aufschwung und machte es zum Dreh- und Angelpunkt im Handel zwischen den Kontinenten. Neuer Wohlstand erlaubte gewissen Schichten das Leben auf dem Land, wo die prunkvollen Villen nun von Kolonen bebaut wurden.

Wem die Villa Romana del Casale einst gehörte, liegt heute im Dunklen. Glaubte man zunächst die Kaiserresidenz von Maximian oder dessen Sohn Maxentius gefunden zu haben, lauteten andere Hypothesen auf einen Gouverneur oder Konsul. Selbst der genaue Entstehungszeitraum lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit festlegen. Experten vermuten einen Zeitraum von 310 bis 325 n. Chr., die musivische Ausstattung könnte hingegen auf die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts hinweisen. Man ist sich mittlerweile allerdings ziemlich sicher, dass sich die Villa Romana del Casale ursprünglich in Privatbesitz befand.

Wiederentdeckung und Ausgrabungen

Wie so viele andere römische Gebäude ging auch die Villa Romana del Casale zunächst in den Wirren der Geschichte verloren. Sie war zu Zeiten der byzantinischen Vorherrschaft über Sizilien bewohnt, danach entstand hier eine arabische Siedlung, die im 12. Jahrhundert von den Normannen zerstört wurde. Erst 1761 entdeckte man Überreste der Villa und hielt sie zunächst für Überbleibsel der Araberzeit.

Mit Beginn der Ausgrabungen durch Robert Fagan um 1808, 1881 von Luigi Pappalardo weiter intensiviert, offenbarte sich jedoch schnell der wahre Hintergrund dieses architektonischen Schatzes von unmessbarem Wert. Drei Ausgrabungsphasen im 20. Jahrhundert legten Schritt für Schritt den gesamten Komplex frei. 1954 war die gesamte Villa freigelegt, bis 1985 fanden letzte Ausgrabungsarbeiten statt. Selbst kleinere Erdrutsche und ein Farbangriff von Vandalen konnte dem Komplex mit seinen prächtigen Mosaiken nichts anhaben.

Spaziergang durch die Villa Romana del Casale

Villa Romana del Casale, UNESCO

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Die Villa urbana ist vor allem für ihre exzellent erhaltenen Bodenmosaike bekannt. Ein Erdrutsch erwies sich als Glück: Er verschüttete die Mosaike im 12. Jahrhundert und verhinderte Verwitterung, Plünderung und Zerstörung. Bei ersten Ausgrabungen wurden diese prächtigen Mosaike wieder zugeschüttet, um sie vor äußeren Einflüssen zu schützen. Später entstand ein eigener villaartiger Bau zur kompletten Überdachung. Heute kannst du von Stegen auf den antiken Mauern einen Blick auf die imposanten Mosaikräume von oben werfen.

Während die Mosaike als wohl größtes Highlight der Villa Romana del Casale gehen, gibt es auf diesem eindrucksvollen Komplex noch so viel mehr zu sehen und zu entdecken. Folgende Bereiche und Räumlichkeiten musst du unbedingt besuchen:

  • Eingangsbereich mit Vestibül: Der gewaltige Ehrenbogen mit drei Durchgängen führt dich in den Hof und weiter zum Vestibül. Die teilweise erhaltene Ankunftsszene stellt das Erwarten eines wichtigen Gastes dar.
  • Rechteckiges Peristyl: Die typisch korinthischen Säulen des ersten Peristyls führen zu prächtigen Bodenmosaiken mit Tierköpfen, deren Ausrichtung an zwei Stellen wechselt – vermutlich um die Wegführungen innerhalb der Villa hervorzuheben.
  • Peristylräume: Rund um das rechteckige Peristyl erwartet dich eine große Zahl an Diensträumen, Herrschafts- und Schlafzimmern. Der Saal der Jahreszeiten ist mit entsprechenden Darstellungen ausgestattet, in anderen Bereichen findest du ausladende Jagdmosaike, die auf die bevorzugte Freizeitbeschäftigung der Besitzer hinweisen könnten.
  • Basilika: Vier Stufen führen dich in einen von zwei Säulen flankierten großen Saal mit Apsis. Hier wurden wahrscheinlich einst Besucher empfangen, wie der auffällig gestaltete Fußboden aus farbigem Marmor und Porphyr vermuten lässt. Ob diese Basilika tatsächlich liturgische Zwecke erfüllte, ist unklar.
  • Herrschaftsräume: Rund um die Basilika im östlichen Teil der Villa sind mehrere herrschaftliche Zimmerfluchten angeordnet. Der kleinere Bereich gehörte vermutlich der Hausherrin oder dem Sohn, der größere Teil dem Hausherren selbst. Auch hier lässt sich dich von ausladenden Mosaiken mit Jagdszenen und göttlichen Darstellungen verzaubern.
  • Elliptisches Peristyl: Über das rechteckige Peristyl oder den Gang der großen Jagd gelangst du zu diesem Komplex mit Säulen, drei Apsiden und einem Brunnen. Das Medaillon mit männlicher Büste – hierbei könnte es sich um den personifizierten Herbst handeln – ähnelt einem nur wenige Jahre später entstandenen Mosaik im Mausoleum der Constantina in Rom.
  • Thermen: Der Villeneingang führt direkt zu einem Thermenkomplex. Dieser konnte somit auch von Gästen, die nicht in die Herrschaftsräume an sich geführt wurden, betreten werden. Allerdings gab es ebenfalls einen speziellen Zugang für Hausbewohner. Becken-, Turn- und Umkleideräume stellen maritime Motive zur Schau. Ein anderes Mosaik könnte die Hausherrin mit zwei Kindern und zwei Dienern darstellen.

 

Der Gang der großen Jagd

Neben all diesen faszinierenden Räumen und Bereichen nimmt ein Korridor eine Sonderrolle ein. Der Gang der großen Jagd verband einst den privaten und den öffentlichen Teil der Villa auf knapp 66 m Länge miteinander. Seine leichte Erhöhung und der von der Mitte ins Peristyl führende Portikus unterstreichen die Wichtigkeit dieses großartigen Ganges mit beeindruckenden Bodenmosaiken.

Tatsächlich bildet die große Jagd eine gewaltfreie Fangaktion von Tieren für die Spiele in Rom ab, die Waffen dienen nur der Verteidigung. Sieben unterschiedliche Szenen, von zumindest zwei Mosaiklegergruppen ausgeführt, lassen sich identifizieren. Zunächst werden Tiere in den verschiedensten Bereichen der Provinz Africa, danach in Ägypten und schließlich in Indien gefangen. Transport- und Verladungsszenen und die Tötung eines angreifenden Löwen sind ebenfalls zu sehen. Figurenbilder und stilistische Pluralität markieren den schrittweisen Übergang von der römischen zur byzantinischen Kunst. Gemeinsam mit den Peristylraummosaiken legt der Gang der großen Jagd die Vermutung nahe, dass es sich bei diesem Landgut ebenfalls um ein Jagdhaus gehandelt haben könnte.

Diese einzigartige Villa urbana in der Provinz Enna vermittelt faszinierende Einblicke in die spätere Geschichte Roms, in den großen Aufschwung Siziliens als Handelsdrehscheibe und das Leben der wohlhabenden Bevölkerungsschicht im vierten Jahrhundert. Lass dich in den Bann der mannigfaltigen Mosaike und liebevoll restaurierten Gänge und Gebäude ziehen – die Villa Romana del Casale darf in deinen Urlaubsplänen auf keinen Fall fehlen!

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