Eine Tour durch die Kunststadt Turin im Piemont

Autos, Fußball, Industrie – die drei vermeintlichen Eckpfeiler Turins sind schnell umrissen. Freunde des runden Leders fühlen sich zu den ewigen Rivalen Juventus und Torino hingezogen, der weltweit bekannte Autohersteller Fiat gründete sich 1899 in der Stadt und viele weitere Unternehmen, darunter Kappa, Lancia und Lavazza, machten ihre ersten Schritte in Turin. Und dann ist da natürlich noch der Dom mit dem Turiner Grabtuch, eines der wichtigsten Artefakte des christlichen Glaubens. Tatsächlich ist das im Nordwesten Italiens gelegene, jeweils gut 100 km von der französischen und der Schweizer Grenze entfernte Turin eine faszinierende Kunststadt mit packender Geschichte und einem vielfältigen Angebot an nicht minder begeisternden Sehenswürdigkeiten. Wir laden dich auf eine kleine Tour durch die Hauptstadt des Piemont ein.

Vom römischen Militärlager zum industriellen Boom

Kunststadt Turin

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Wie du das mittlerweile gewohnt bist, widmen wir uns zunächst einem kleinen geschichtlichen Streifzug durch Turin, und der hat es tatsächlich in sich. Der Name leitet sich vermutlich aus „tau“, dem keltischen Wort für „Berge“, ab. Zudem kann der italienische Name „Torino“ volksetymologisch auf „kleiner Bulle“ zurückverfolgt werden, weshalb ein Bulle das Wappen Turins ziert. Wo einst die Tauriner, ein keltisch-ligurischer Stamm, lebte, errichteten die Römer um 28 v. Chr. ein Militärlager, dessen typische Stadtstruktur mit rechtwinklig zueinander verlaufenden Straßenzügen im heutigen Quartiere Romano erhalten geblieben ist. An die 5.000 Einwohner lebten innerhalb den Turiner Stadtmauern.

Nach dem Fall des Römischen Reichs geriet Turin unter langobardische Herrschaft, wurde später fränkisch regiert und schließlich Ende des 13. Jahrhunderts von den Herzögen von Savoyen eingenommen. Sie begannen im 15. Jahrhundert mit der kompletten Neuerrichtung der Stadt. Im Zuge dessen entstanden viele der berühmten Gärten und Paläste, die Universität wurde 1404 gegründet, und Turin wurde schließlich zur Hauptstadt des Herzogtums. Eine 117tägige Belagerung durch französische Truppen während des Spanischen Erbfolgekriegs verlief erfolglos. Nach der Vereinigung Italiens diente Turin vier Jahre lang als Hauptstadt und Sitz des Königs, bevor die Industrialisierung der Stadt einen beispiellosen Aufschwung gewähren sollte. Diesem sollte durch die industrielle Krise in den 1980er Jahren ein jähes Ende bereitet wurden, die Einwohnerzahl fiel deutlich unter die Millionenmarke und sollte sich nicht erholen.

Die Kirchen und Basiliken

Kunststadt Turin

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Bevor Turin 1563 zur Hauptstadt Savoyens erhoben wurde, war die Stadt vor allem mittelalterlich geprägt. Die umfassende Umgestaltung veränderte das Stadtbild komplett, zog neue Achsen und sorgte unter anderem dafür, dass keine einzige der 21 Pfarrkirchen bestehen oder zumindest unverändert blieb. Turin beheimatet heute noch zahlreiche Kirchen und Basiliken von Weltrang, die du dir auf keinen Fall entgehen lassen solltest. Wir empfehlen unter anderem:

  • Turiner Dom: Dieser erste Eintrag wird dich kaum überraschen, schließlich haben wir den Dom eingangs kurz erwähnt. Eigentlich ist der Duomo di Torino ein eher schlichtes Gebäude, recht anspruchslos gestaltet mit typischen Renaissanceformen, einer Marmorfassade sowie einem Campanile mit barocken Obergeschoßen. Wir erwähnen den Dom vor allem aufgrund der direkt hinter der Vierung der Kathedrale angefügten Kapelle, extra für das Turiner Grabtuch errichtet und reich geschmückt. Der Blick gen Himmel durch die imposante Kuppel begeistert. Obwohl wissenschaftlich widerlegt, vielleicht sogar gerade deswegen, wird das Leinentuch von vielen Gläubigen als jenes Tuch verehrt, in dem Jesus nach der Kreuzigung begraben wurde.
  • Maria-Hilf-Basilika: 1844 oder 1845 erschien die Jungfrau Maria dem Salesianer Don Bosco in einem Traum und zeigte ihm den Ort des Martyriums der Turiner Heiligen Solutore, Ottavio und Avventore. Hier ließ Don Bosco die Basilica di Maria Ausiliatrice errichten. Sie entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und beherbergt die Reliquien der Heiligen sowie die Überreste des heiliggesprochenen Erbauers.
  • San Lorenzo: Etwas unauffällig in eine Reihe von Palästen eingebunden, wirkt diese Kirche an der Piazza Castello wie eines von vielen Gebäuden in diesem Stadtviertel. Hinter der Fassade verbergen sich spannende Elemente aus der islamischen Architektur mit geschickten Lichtspielen und fantasievollen Formen.
  • Superga: Mit der Zahnradbahn geht es auf den Superga-Hügel im Osten der Stadt, wo sich auf 672 m Höhe die gleichnamige Kirche befindet. Bei gutem Wetter kannst du von hier aus sogar die Alpen sehen. Von den gewaltigen Freitreppen bis zur ähnlich imposanten Kuppel erlebst du Barockkunst pur.

 

Turins Paläste und Schlösse

Mit den Schlössern und Palästen Turins wollen wir uns eigentlich nicht allzu lange befassen. Nicht etwa, weil sie nicht von atemberaubender Schönheit wären, sondern weil wir diese Prunktstücke bereits im Rahmen unseres Weltkulturerbe-Beitrags zu den Residenzen des Hauses Savoyen abgehandelt haben – den können wir dir für weitere Informationen nur ans Herz legen. Von diesen 14 Residenzen befinden sich derer fünf auf Turiner Stadtgebiet:

  • Palazzo Reale
  • Palazzo Madama
  • Palazzo Carignano
  • Castello del Valentino
  • Villa della Regina

 

Die Palazzina di Stupinigi, etwa zehn Kilometer südwestlich von Turin gelegen und ebenfalls Teil der UNESCO-Weltkulturerbestätte, will ebenfalls nicht unerwähnt bleiben. Ein Ausflug zu diesem barocken Jagdschlösschen ist Pflicht, alleine schon aufgrund der packenden Architekturmalerei.

Weitere Sehenswürdigkeiten in Turin

Kunststadt Turin

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Wir bleiben allerdings in Turin, denn die Kunststadt hat noch viel mehr zu bieten. Hier sind einige weitere essenzielle Sehenswürdigkeiten:

  • Porta Palatina: Einst umgab eine dicke Stadtmauer das römische Turin. Eines der drei großen Stadttore blieb erhalten, wohl auch, weil es nach mehreren Umbauten im 18. und 19. Jahrhundert als Gefängnis diente. Mittlerweile wurde die Porta Palatina restauriert und rekonstruiert. Zwei moderne Kopien antiker Statuen flankieren das Ziegeltor mit seinen zwei hohen Wachtürmen.
  • Museo Egizio: Dieses Turiner Museum befasst sich ausschließlich mit Ägyptologie und beherbergt eine der größten Sammlungen ägyptischer antiker Werke der Welt. Von den ca. 32.500 Artefakten sind rund 6.500 ausgestellt. Neben seinen zahlreichen Statuen ist das Museo Egizio vor allem für seine außerordentliche Papyrus-Sammlung bekannt.
  • Galleria Sabauda: Im Weltkulturerbe-Palast Palazzo Reale untergebracht, widmet sich die Gemäldegalerie vornehmlich italienischer, französischer und niederländischer Kunst des 15. bis 17. Jahrhunderts. Bestaune unter anderem Werke von Tintoretto, Rembrandt, Guercino und Buoninsegna.
  • Mole Antonelliana: Ursprünglich als Synagoge geplant, bereiteten die Verlegung der italienischen Hauptstadt nach Florenz sowie die ausufernden Kosten diesen Plänen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein jähes Ende. Der gewaltige Turm mit einer Höhe von 167,5 m gilt heute als eines der Wahrzeichen Turins und beheimatet das Filmmuseum. Der Lift bringt dich auf ca. 85 m für eine traumhafte Aussicht mit alpinem Fernblick.
  • Lingotto-Gebäude: Einst errichtete Fiat mit dem Lingotto-Gebäude die größte Autofabrik der Welt. Auf dem Dach wurde sogar eine eigene Teststrecke für neue Wägen eingerichtet. Nach der Schließung der Fabrik 1982 inmitten einer gewaltigen industriellen Krise wurde das Gebäude umgebaut und modernisiert. Heute befinden sich ein Kongresszentrum, eine Konzerthalle, ein Hotel, ein Einkaufszentrum und das Kunstmuseum Pinacoteca Giovannni e Marella Agnelli mit Werken aus der Sammlung des Fiat-Ehepaars in der ehemaligen Autofabrik. Die Teststrecke auf dem Dach gibt es übrigens immer noch, du kannst sie besichtigen und abspazieren.

 

Turin hat viele kleine und große Highlights zu bieten. Besuche Pilgerstätten von Weltruhm, lass dich in den Bann pompöser Paläste und Schlösser ziehen und erlebe die wechselhafte industrielle Geschichte der Stadt hautnah. Und ja, ein Abstecher in eines der packenden Fußballstadien ist selbstverständlich ebenso Pflicht. Viel Spaß im Herzen des Piemont!

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