Brescia – römisch-langobardisch geprägte Kunststadt

Obwohl Brescia mit knapp 200.000 Einwohnern als zweitgrößte Stadt der Lombardei gilt, dürfte sie wohl kaum deine erste Urlaubsadresse sein. Es gibt sicherlich bekanntere Fleckchen in der Region, und so fällt das Zentrum einer der größten Industrieregionen des Landes gerne schon mal unter den Tisch. Damit tut man Brescia allerdings Unrecht, denn die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz kann auf eine lange, ereignisreiche Geschichte zurückblicken, die zahlreiche packende Sehenswürdigkeiten und Ausgrabungsstätten hervorbrachte. Selbst ein Hauch von Weltkulturerbe begleitet deine Streifzüge durch diesen Geheimtipp.

Wie Brescia zu Brescia wurde

Kunststadt Brescia

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Wenig überraschend beschäftigen wir uns zunächst mit der Geschichte der Kunststadt, und die hat es definitiv in sich. Der Name Brescia geht auf Brixia, eine Siedlung des keltischen Volksstammes der Cenomanen, zurück. Diese unterwarfen sich 225 v. Chr. dem Römischen Reich, das Gebiet wurde später zur Zivilkolonie erklärt. Während der Völkerwanderung besetzten verschiedene Stämme Brescia, bevor die Langobarden für etwas Ruhe sorgten. Die Stadt erreichte neue Höhen und brachte sogar zwei Könige hervor, bevor Karl der Große die Langobarden-Herrschaft beendete. In den folgenden Jahrhunderten galt das von Königin Ansa gegründete Kloster San Salvatore als Zentrum der Stadt.

Brescias jüngere Geschichte gestaltet sich vergleichsweise übersichtlich. Um 1138 führte die kommunale Bewegung zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Bürgerschaft und Bischof. In weiterer Folge war die Stadt überaus aktiv im Lombardischen Städtebund. Die folgenden Jahrhunderte sahen unter anderem die Scaliger, die Visconti von Mailand sowie die Republik von Venedig als Regenten. Im frühen 16. Jahrhundert galt Brescia sogar als eine der wohlhabendsten Städte der Lombardei. Ein Blitzeinschlag in der San-Nazaro-Kirche, wo 90 Tonnen Schießpulver eingelagert waren, beschädigte weite Teile der Stadt. Ende des 18. Jahrhundert geriet Brescia unter österreichische Herrschaft, selbst ein Volksaufstand konnte die Truppen nicht vertreiben. Die Stadt blieb aktiv im Freiheitskampf während des Risorgimento, erhielt den Beinamen „Leonessa d’Italia“ (dt. „Löwin Italiens“) und ging schließlich in das neugegründete Italien auf.

Spuren des antiken Roms und der Langobarden

Gerade die Frühphase Brescias während römischer und langobardischer Herrschaft macht die zweitgrößte Stadt der Lombardei heute zum Anziehungspunkt für Besucher aus aller Welt. Zwei Stätten gehören seit 2011 zum UNESCO-Weltkulturerbe unter dem Titel Orte der Macht der Langobarden in Italien“. Diese setzen sich folgendermaßen zusammen:

  • San Salvatore: Königin Ansa, Frau des späteren Langobardenkönigs Desiderius, gründete das Frauenkloster 753, ihre Tochter Anselperga wurde später zur Äbtissin. Heute beheimatet der Komplex, auch als Santa Giulia bekannt, ein gewaltiges Museum mit über 11.000 Kunstwerken und Funden. Die architektonische Mischung aus römischen, vorromanischen und romanischen sowie Renaissance-Elementen begeistert und beeindruckt. Noch heute kannst du durch die alte, restaurierte Basilika spazieren.
  • Capitolium: In Brescia findest du ebenso die besterhaltenen römischen Gebäude in ganz Norditalien. Dazu zählt das Capitolium von Brixia, der Haupttempel der Stadt. Die verschüttete Anlage wurde 1823 bei Ausgrabungen wiederentdeckt und schließlich sukzessive freigelegt sowie restauriert. Mittlerweile erwartet dich hier ein gewaltiger archäologischer Park mit den Resten eines alten Theaters sowie einem Heiligtum aus dem 1. Jahrhundert v. Chr.

 

Domplatz und Piazza della Loggia

Kunststadt Brescia

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Aber genug von diesem Ausflug in die antike Hochphase Brescias. Wir bewegen uns nun auf zwei der wichtigsten Plätze der modernen Stadt. Erster Stopp ist der Domplatz, wo sich einst drei romanische Monumentalbauten befanden, bevor die Sommerkathedrale im 17. Jahrhundert abgerissen und durch ein neues Gebäude ersetzt wurde, nämlich…

  • Duomo Nuovo: Der sogenannte Neue Dom – nomen est omen – hat eine mehr als 200jährige Baugeschichte hinter sich und wurde von zahlreichen jungen Architekten und Künstlern aus der Region geprägt. Hinter der Fassade aus dem hellen Kalkstein Botticino verbirgt sich so manches Fresko.
  • Duomo Vecchio: Direkt daneben befindet sich der Alte Dom, die Winterkathedrale. Die imposante romanische Rundkirche stammt aus dem 11. Jahrhundert. Zahlreiche sehenswerte gotische Bischofsgräber säumen das Innenleben.
  • Broletto: Auf der Westseite des Platzes befindet sich der mittelalterliche Regierungspalast, im 12. und 13. Jahrhundert entstanden. Der hohe Turm und die Loggia delle Grida machen das Broletto zum archetypischen Rathaus dieser Zeit. Drei der umgebenden Fassaden im Innenhof stammen noch aus dem Mittelalter.

 

Von überwiegend mittelalterlichem Charme bewegen wir uns zu Brescias Wiege der Renaissance. Die Piazza della Loggia ist das Epitom eines Renaissance-Platzes und gilt auch heute, fast 600 Jahre nach seiner Eröffnung, noch als wohl schönster Platz der Stadt. Hier erheben sich der heute als Rathaus genützte Palazzo della Loggia mit seinen wunderschönen Vanvitelli-Räumlichkeiten sowie zwei Pfandleihgeschäfte aus der frühen Neuzeit, sogenannte Monti di Pietà. Römische Grabsteine zieren die Fassaden dieser Gebäude. Mitten auf der Ostseite der Piazza steht zudem der gewaltige Torre dell’Orologio mit einer astronomischem Uhr aus der 16. Jahrhundert, dessen Originalmechanismus immer noch in Betrieb ist.

Weitere Highlights in Brescia

So wunderschön und eindrucksvoll diese beiden Plätze auch sind, wir bewegen uns zum Abschluss davon weg und stellen dir ein paar weitere schöne Orte und Sehenswürdigkeiten in Brescia vor, die dich garantiert von den Sitzen reißen werden:

  • Santa Maria della Carità: Unter den Barockbauten Brescias ist diese Kirche vielleicht die schönste. Hinter der traditionellen Fassade verbirgt sich ein achteckiger Grundriss mit einem gewaltigen, prunkvollen Hauptaltar. Der Marmorfußboden ist ein echter Hingucker. Atemberaubende Fresken und Stuckarbeiten sowie die nicht minder eindrucksvolle Perspektivenarchitektur der Kuppel sorgen bestimmt auch bei dir für Begeisterungsstürme.
  • Santa Maria dei Miracoli: Als Brescia zwischen 1480 und 1484 von der Pest heimgesucht wurde, rankten sich Gerüchte um die Wunderkräfte eines Freskos der Heiligen Maria mit Kind vor einem Haus in San Nazario. Die Kirche kaufte das Gebäude und baute es zur Kirche der Wunder um. Kunstvolle Marmorreliefs zieren die Fassade. Über das monumentale Portal mit vier Säulen gelangst du in die mit beeindruckenden Gemälden ausgestattete Kirche.
  • Pinacoteca Tosi Martinengo: Kunstmuseen gibt es einige in der Stadt, doch keines kann mit dieser Institution mithalten. Diese 1851 eröffnete Pinakothek im Palazzo Tosio verfügt über eine auf 21 Galerien verteilte Sammlung von mehr als 800 Gemälden. Dazu zählen Werke von Raffael, Vincenzo Foppa und Lorenzo Lotto.
  • Torre della Pallata: Unter den gewaltigen Befestigungsanlagen der mittelalterlichen Stadtmauer ist dieser 1254 erbaute Turm gewiss ein Highlight. Der Torre della Pallata wurde in späteren Jahrhunderten um Zinnen, eine Uhr und einen kleinen Turm erweitert. An der Westseite befindet sich ein manieristischer Brunnen.

 

Brescia ist eigentlich nur für jene unscheinbar, die sich noch nie mit dieser faszinierenden Kunststadt auseinandergesetzt haben. Dieses versteckte Juwel in der Lombardei beherbergt eine überaus spannende Weltkulturerbestätte und spannt den architektonischen Bogen von der römischen Antike über romanische Kunst bis zur Renaissance und dem Barock, gibt sich dabei stets harmonisch, charmant und einladend. Bei deiner nächsten Reise nach Norditalien solltest du auf jeden Fall den einen oder anderen Tag in Brescia einplanen!

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