Orte der Macht der Langobarden in Italien

Den Untergang des Weströmischen Reiches als Phase großer Umwälzungen zu bezeichnen, wäre wohl dezent untertrieben. Zahlreiche Völker versuchten in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten ihr Glück, die antike Völkerwanderung war in vollem Gange. Ab 568 n. Chr. wanderten die Langobarden in Italien ein und sollten 200 Jahre lang über weite Teile des Landes regieren. Über diese beiden Jahrhunderte errichtete der elbgermanische Stamm faszinierende Orte der Macht, derer sieben seit 2011 als UNESCO-Weltkulturerbe gelten – und das in gleich fünf verschiedenen Regionen. Zeit für eine kleine Tour von Nord nach Süd!

Die Rolle der Langobarden am Tor zum Mittelalter

Orte der Macht der Langobarden in Italien

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Für die UNESCO nimmt die langobardische Architektur eine zentrale Rolle im Übergang von der Antike zum Mittelalter ein. Die Synthese verschiedener Bausteile, gepaart mit der Entwicklung einer eigenen Kultur, vereinte das antike Rom mit christlicher Spiritualität, byzantinische Kunst mit dem germanischen Nordeuropa. Woher der Name „Langobarden“ eigentlich stammt, verlor sich allerdings in den Wirren der Geschichte.

Als Könige von Italien herrschten sie über weite Teile des Landes. Einzig Rom, Sardinien, Sizilien und einige kleinere Landstriche im äußersten Süden und Nordosten blieben stets in byzantinischer Hand. Obwohl die Langobarden das ehemalige Zentrum weströmischer Macht nie erobern konnten, drückten sie dem Rest Italiens ihren Stempel auf. Erst Karl der Große sollte 774 den letzten langobardischen König absetzen, 100 Jahre später verschwanden auch die letzten namentlichen Spuren aus dem Regententitel.

Gastaldaga und Bischofskomplex in Cividale del Friuli

Widmen wir uns nun aber den sieben Orten der Macht besagter UNESCO-Weltkulturerbestätte. Zunächst schicken wir dich nach Friaul-Julisch Venetien, genauer gesagt: Cividale del Friuli. Im alten langobardischen Ortsteil Valle entdeckst du die Kirche Santa Maria auf dem ehemaligen Gastaldaga-Areal. In ihrer Urform (Tempietto Longobardo) galt sie als wohl originellstes Werk der spätlangobardischen Zeit und erreichte neue, komplexe Sphären. Mittelalterliche Stuckverzierungen und Fresken mit byzantinischem Einfluss erwarten dich im Presbyterium. Zu diesem religiösen Areal zählt außerdem der ehemalige bischöfliche Komplex, ursprünglich aus einer Basilika, einen Baptisterium und dem Patriarchenpalast bestehend. Besondere Werke der langobardischen Plastik, wie der Tegurio von Callisto und der Altar von Ratchis, kannst du im Museo Cristiano sowie im Domschatz besichtigen.

San Salvatores Klosterkomplex

Nun zieht es uns westwärts in die Lombardei. In Brescia ließ Desiderius 753, drei Jahre bevor er den Königsthron besteigen sollte, ein Frauenkloster einrichten, dem seine Tochter Anselperga als Äbtissin vorstand. Der Klosterkomplex San Salvatore wurde natürlich im Laufe der Zeit vielfach umgebaut. Besonders sehenswert ist die gleichnamige Kirche, ein glanzvolles Zeugnis frühmittelalterlicher Sakralarchitektur mit ausladenden Stuckarbeiten. Wir empfehlen dir, einen Blick in das weitläufige archäologische Areal rund um das Kloster zu werfen. Hier entdeckst du Überreste zahlreicher antiker Kultbauten, die später überbaut oder in diverse Wohnungen, Produktionseinrichtungen und Begräbnisstätten eingegliedert wurden. Das Capitolium aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. und das römische Theater sind besonders eindrucksvoll.

Castrum von Castelseprio und der Turm von Torba

Wir bleiben in der Lombardei, da gefällt es uns gerade richtig gut. Der archäologische Park von Castelseprio erstreckt sich um eine antike römische Befestigungsanlage, welche in weiterer Folge von den Langobarden umgebaut und zur Burg Castrum erweitert wurde. Ende des 13. Jahrhunderts leider komplett zerstört, überlebten lediglich ein mächtiger Mauerring, diverse Wohnungsanlagen und die Basilika mit Baptisterium von San Giovanni Evangelista. Ein weiteres Prunkstück langobardischer Militärarchitektur ist der Turm von Torba, wo unter anderem ein Kloster der Benediktinerinnen untergebracht war. Ein Abstecher in die Kirche Santa Maria foris portas, außerhalb der Stadtmauern gelegen, mit ihren prächtigen, überaus wichtigen Fresken byzantinischer Prägung sollte ebenfalls auf deinem Programm stehen.

Basilika San Salvatore in Spoleto

Zeit für einen Sprung: Spoleto liegt an den Ausläufern des Apennin im Süden Umbriens. Die örtliche Basilika San Salvatore entstand wohl bereits in frühchristlicher Zeit und soll der Überlieferung nach rund um die Grabstätten zweiter christlicher Märtyrer errichtet worden sein. Im 7. Jahrhundert führten die Langobarden umfangreiche Renovierungsarbeiten durch und fügten zahlreiche Details hinzu, welche bei späteren Umbauten in romanischer Zeit erweitert und vertieft wurden. Man entschied sich dafür, die römisch-klassische Formensprache beizubehalten, und so erwarten dich neben den eigentlichen antiken Architekturfragmenten wunderbare Nachbauten mit einer reich dekorierten Fassade. Leider ging die Stuck- und Malerei-Ausstattung fast gänzlich verloren.

Tempietto sul Clitunno

Unweit von Spoleto liegt die kleine Ortschaft Campello sul Clitunno am gleichnamigen Fluss. Die kleine frühmittelalterliche Kirche entstand am jenen Ort, wo laut römischer Überlieferung der römische Flussgott Jupiter Clitumnus residierte. In der Bauweise an einen korinthischen Tempel aus der griechischen Antike angelehnt, beeindruckt dieses kleine Heiligtum mit seinen monumentalen Säulen und dem gewaltigen Architrav mit kunstfertiger Gravur römischer Großbuchstaben. Aus der Mischung aus wiederverwendeten römischen Elementen und eigens erstellten Dekorationen ragen die Fresken aus dem 7. Jahrhundert hervor.

Der Santa Sofia-Komplex von Benevento

Die Reise führt uns nun noch südlicher nach Kampanien. Arichis II., der langobardische Herzog von Benevento, ließ Santa Sofia um 760 als persönliche Kapelle errichten. Er hoffte, dass seine Seele dadurch im Jenseits Erlösung finden würde. Ob das gelang, ist uns leider nicht bekannt. Mit Ausnahme der barocken Fassade, welche im Zuge von Renovierungsarbeiten nach zwei schweren Erdbeben hochgezogen wurde, konnte die Kirche weitestgehend originalgetreu restauriert werden. Somit erwartet dich ein herrlich langobardischer Bau mit so manchem romanischen Element dazwischen. Fragmente von Fresken aus dem späten achten und frühen neunten Jahrhundert illustrieren die einzigartige Schule der Illuminatoren von Benevento, natürlich von stark langobardischen Zügen geprägt.

Wallfahrtskirche San Michele in Monte Sant‘Angelo

Orte der Macht der Langobarden in Italien, UNESCO

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Zum Abschluss besuchen wir den äußersten Südosten Apuliens. Die wunderschöne Stadt Monte Sant’Angelo gibt es zwar erst seit dem 11. Jahrhundert, seine Besiedlungsgeschichte ist aber wesentlich älter. Erst im vergangenen Jahr wurden Überreste eines hellenistischen Tempels aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. entdeckt. Auf den Hängen des Gargano soll der Erzengel Michael um 490 einem Bischof, ein halbes Jahrhundert später während einer Schlacht erschienen sein. In der Region entstand ein Michaelskult, den die Langobarden wohl wesensgleich mit dem paganen Wodan empfunden haben müssen. Nach der Eroberung Garganos verehrten sie das Heiligtum ebenfalls. Mittlerweile rekonstruiert und mit einer Wallfahrtskirche versehen, zieht San Michele in Monte Sant’Angelo Pilger aus dem ganzen Land an.

Alle Orte der Macht der Langobarden in Italien zu besuchen, kommt einer mehrwöchigen Rundreise durch das Land gleich – und warum eigentlich nicht? Italien ist immer einen Besuch wert, und diese prächtigen Kirchen, Heiligtümer und Klöster sind mehr als nur atemberaubend. Begib dich auf die Spuren der Langobarden und entdecke Teile dieser gewaltigen UNESCO-Weltkulturerbestätte in deinem nächsten Urlaub. Es lohnt sich!

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