Venedig und seine Lagune

Venedig und seine Lagune

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Kaum eine zweite italienische Kulturlandschaft sieht sich so sehr den Spannungen urbaner Erschließung, landschaftlicher Schönheit, architektonischer Faszination und steter struktureller Unsicherheit ausgesetzt wie Venedig. Die legendäre Stadt mit ihren 118 Inseln liegt mitten in einer der größten und wichtigsten Lagunenlandschaften der Welt. Mit über 1500 Jahren an höchst wechselhafter Geschichte, einigen der wichtigsten Bauwerke der Welt und, natürlich, dem Spannungsverhältnis zwischen vielfältigem Lebensraum und touristischem Zustrom, ist diese UNESCO-Welterbestätte auf 50.000 km² so reizvoll und gefährdet wie nur wenige andere.

Eine kurze Geschichte Venedigs

Obwohl man bereits in vorchristlichen Zeiten etruskische Stämme in den Lagunen Venedigs vermutet, beginnt die tatsächliche Siedlungsgeschichte erst im 5. Jahrhundert n. Chr., als die Venezianer Zuflucht vor barbarischen Völkern suchten und diese unter anderem auf den sandigen Inseln Jesolo, Malamocco und Torcello fanden. Einst als Übergangslösung gedacht, entstanden hier schon bald feste Siedlungen, welche die ansässige Bevölkerung im Laufe der Jahrhunderte zur maritimen Großmacht aufsteigen ließen. Diese Position galt es zu verteidigen, unter anderem gegen Araber, Genueser und Ottomanen.

Unbeeindruckt von äußeren Einflüssen, entwickelten sich die Lagunensiedlungen im Mittelalter mehr und mehr zur auf Inseln verteilten Metropole. Schließlich wurden nach und nach Kanäle errichtet, um das urbane System entsprechend zu erschließen und anständige Wasserwege zu schaffen. Mit ca. 180.000 Einwohnern erreichte Venedig um 1550 seine höchste Einwohnerzahl, bevor die Bedeutung der Lagunenstadt schließlich abnahm. Zwei schwere Pestepidemien und die Verlagerung des Handels in den Atlantikraum sorgten für den Niedergang der einstigen Metropole. Heute ist Venedig vor allem mit der Restaurierung historischer Gebäude, Hochwasserschutz und nachhaltiger Umweltpolitik beschäftigt, um diesen einzigartigen Lebensraum und zugleich den Status als Welterbestätte aufrecht zu erhalten.

Kunst und Architektur

UNESCO Welterbe Venedig und seine Lagune

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Ab dem Mittelalter gab Venedig dem gesamten europäischen Raum wichtige künstlerische und architektonische Impulse. Anfangs vornehmlich von byzantinischer Kultur beeinflusst, folgten später Einflüsse aus dem Osten. Gemeinsam mit Florenz legte man schließlich den Grundstein für die Renaissance, von Flüchtlingen aus Konstantinopel in die Stadt gebracht. Gotische Eigenheiten in der Architektur und künstlerische Höhepunkte bis ins Barock als eine Art „Gegenpol“ zur etablierten Renaissance Florenz‘ machten die Lagunenstadt zur Heimat wichtiger Künstler.

So ziemlich jedes auch noch so kleine Bauwerk ist mit prächtiger Kunst ausgestattet. Angesichts der Fülle an Kirchen (124 an der Zahl), Palästen und Prunkbauten ein ziemliches Unterfangen. Bestimmt fragst du dich, wie du denn all das besichtigen sollst. Um ganz ehrlich zu sein, du wirst wohl über den einen oder anderen zusätzlich Besuch Venedigs nicht herumkommen, aber das ist auch vollkommen in Ordnung, oder? Was es hier so alles zu entdecken gibt, ist nämlich echt grandios. Folgende Sehenswürdigkeiten können wir dir besonders ans Herz legen:

  • Dogenpalast: Der Palazzo Ducale zählt zu den wichtigsten gotischen Bauwerken der Stadt. Von seiner Fassade mit den drei gewaltigen Flügeln und dem zweifarbigen Marmor über die faszinierenden Säle und Privatgemächer bis hin zum Gefängnis mit der Seufzerbrücke findet sich hier geballte Grandezza.
  • Markusdom: Noch wichtiger, noch berühmter – in der über 1.000 Jahre alten Basilica di San Marco lässt du dich von Mosaiken aus dem Leben Jesus Christus‘ beeindrucken, die in späterer Zeit von Tizian und Tintoretto nachgelegt wurden. Eine angeschlossene Galerie mit Museum, aber auch die goldene Altartafel stehen auf dem Programm.
  • Biblioteca Nazionale: In der Markusbibliothek erwarten dich Schriften von unschätzbarem Wert hinter einer der prunkvollsten Fassaden der Stadt. 900.000 Bände und 13.000 Handschriften mit einem Schwerpunkt auf venezianische Geschichte wollen besichtigt werden.
  • Gallerie dell’Accademia: Vielleicht hast du die von außen vergleichsweise unscheinbare Accademia nicht unbedingt auf deinem Reiseplan. Wir finden: Das sollte sich schleunigst ändern! In drei Gebäuden findest du die wohl wichtigste Sammlung venezianischer Kunst mit Werken von Tizian, Carpaccio, Veronese, Tintoretto, den Bellinis und vielen weiteren Größen der illustren Stadtgeschichte.

Lebensraum Lagune und Venedig heute

Für viele Besucher ist Venedig allerdings synonym mit dem Canal Grande, der Hauptverkehrsader auf dem Wasser, und den zahlreichen Gondeln. 15 Kirchen und über 200 Palazzi säumen den Weg, der unter anderem vom Bahnhof über die Rialtobrücke bis zum Markusplatz führt. Tatsächlich erstreckt sich der gesamte Lebensraum Lagune rund um die Stadt über eine Länge von ca. 40 km mit einer direkten Verbindung zur Adria, über die zweimal täglich frisches Meerwasser einfließt. Einst versteinerte der Schlamm jenes Holz, auf dem die Stadt aufgebaut wurde, und bot somit perfekte Bedingungen für den Aufbau. Heute sorgt der Untergrund jedoch für erhebliche Probleme, da Venedig abzusinken droht – die Mosaikschichten und mehrfachen Böden von damals helfen heute nicht mehr.

Zugleich werden die Lagune, der Untergrund, der Wasserstand und der Pflanzenbewuchs bereits seit 1501 von einem eigenen Gewässeramt kontrolliert, das eine Schutz- und Reinigungsfunktion übernimmt. Gemeinsam mit zahlreichen gesonderten Schutzprojekten ist das Amt heute beschäftigter denn je, denn Venedig hat mit schweren ökologischen und strukturellen Folgen zu kämpfen, die unter anderem den Status als UNESCO-Welterbestätte in Frage stellen. Industrielle Einflüsse lösen das versteinerte Holz auf und führen zu deutlich schnelleren Absenkungen, während die Klimaerwärmung die Zahl an Hochwassern in die Höhe schnellen lässt, ganz zu schweigen von der bedrohten Artenvielfalt in der Lagune, der nördlichen Verlandung und der südlichen Vertiefung, gerade durch den industriellen Ausbau gen Mestre und Marghera.

Aber keine Sorge, noch ist nicht aller Tage Abend: Venedig arbeitet fieberhaft an Lösungen, um diesen einzigartigen Lebensraum zu schützen, den mächtigen touristischen Zustrom zu regeln und die wunderschönen Kunstschätze der Stadt möglichst lange zu erhalten. Gerade das ist mehr als nur ein Grund, um der bedrohten, aber längst nicht verlorenen UNESCO-Welterbestätte einen Besuch abzustatten. Wir wünschen dir viel Spaß und eine gute Reise!

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