Santa Maria delle Grazie in Mailand mit Leonardos Abendmal

Mailand, die zweitgrößte Stadt Italiens und regionale Hauptstadt der Lombardei. 1,3 Millionen Menschen leben hier, umgeben von greifbarer Geschichte, modischen Epizentren und zwei der bekanntesten Fußballclubs der Welt. AC oder Inter – für viele Mailänder ist das eine Glaubensfrage. In anderen Dinge ist man sich hingegen schnell einig. So zum Beispiel, dass die Dominikanerkirche Santa Maria delle Grazie eines der, vielleicht sogar das schönste Bauwerk der Stadt ist. Jahr für Jahr zieht es Touristen aus aller Herren Länder an, die sich dem einzigartigen Bann dieses UNESCO-Weltkulturerbes nicht erwehren können. Dafür ist nicht zuletzt eines der berühmtesten Kunstwerk der Welt verantwortlich – „Das Abendmahl“ von Leonardo da Vinci.

Baugeschichte

Santa Maria delle Grazie in Mailand

©Bigstock.com/Georgios Tsichlis

Einst befand sich eine kleine Marienkapelle auf dem heutigen Standort der weltberühmten Kirche. Francesco I. Sforza, Herzog von Mailand, wünschte sich jedoch ein Dominikanerkloster samt Kirche, und beauftragte Guiniforte Solari, Architekt des heutigen Universitätshauptgebäudes Ospedale Maggiore und Bauaufsicht am Mailänder Dom, mit der Errichtung eben jener Gebäude im gotischen Stil.

Nach der Fertigstellung des Klosters im Jahre 1469 und der Kirche um 1490 entschloss sich Ludovico Sforza jedoch, die Kirche als Begräbnisstätte für seine Familie nützen zu wollen, was großflächige Umbauarbeiten erforderte. Aus dem Chor mit der Vierung, der nach der Fertigstellung abgerissen wurde, entstand ein monumentaler Zentralbau, der nach Plänen Donato Bramantes im Stil der gerade angesagten Renaissance errichtet wurde. Zur Fertigstellung nach Sforzas Plänen kam es jedoch nicht, denn nach seinem Sturz bleib das ursprüngliche gotische Langhaus bestehen. Erst in den 1520er Jahren öffnete Santa Maria delle Grazie ihre Pforten, das Begräbnis von Ludovicos Frau Beatrice d’Este war das erste im neuen Chor.

Stilistische Pluralität zwischen Gotik und Renaissance

Zwei unterschiedliche Bauepochen hinterließen ganz besondere, ungewöhnliche Spuren an der Dominikanerkirche, die du auch heute noch gut sehen kannst. Der gotische Anteil und der Renaissance-Part lassen sich innen wie außen prima voneinander unterscheiden. Das relativ breit gelagerte Langhaus weist deutliche Merkmale der lombardischen Backsteingotik aus. Typisch dafür sind unter anderem der Einsatz einer Stufenhalle, das überhöhte Mittelschiff und die zugleich nach außen nur minimal sichtbare Stufung des Dachs. Auch die ursprüngliche Ausmalung, die auf die Jahre 1482 bis 1485 zurückdatiert wird, zeigt sich aufgrund der späten Freilegung in den 1930er Jahren immer noch weitestgehend originalgetreu.

Der Abriss und Neubau des Chors im damals angesagten Renaissance-Stil hinterließ natürlich ebenfalls seine Spuren. Sein Kubusraum in voller Breite aller drei Langhausschiffe ersetzte die etatmäßige gotische Vierung, vom Chor und zwei seitlichen Konchen flankiert. Die Kuppel weist hingegen typische Renaissance-Züge auf. Auf einem 16eckigen Tambour ruhend, denkt sie die Entwürfe Brunelleschis geschickt weiter. Von außen wirkt dieser Zusatz wie ein Rundbau in flacher Kegelform, von Arkaden- und Fenstergliederung sowie rotgebrannten Terrakotta-Elementen entsprechend unterstützt.

Das Abendmahl – Leonardo da Vincis Meisterwerk

Santa Maria delle Grazie in Mailand mit Leonardos Abendmahl

©Bigstock.com/bennymarty

Viele Touristen besuchen Santa Maria delle Grazie aber nicht unbedingt – oder zumindest nicht nur – aufgrund ihrer atemberaubenden Schönheit im Spannungsfeld zweier architektonischer Epochen, sondern um eines der bekanntesten Wandgemälde der Welt zu sehen. Vielleicht geht es dir ja genauso – wir können dich da nur zu gut verstehen.

Nachdem Leonardo ein Tonmodell für ein Sforza-Denkmal beendet hatte, beauftragte ihn Herzog Ludovico im Jahr 1495 mit einem ganz besonderen Wandgemälde. Seine neue Begräbniskirche sollte einen außergewöhnlichen Blickfang erhalten. Leonardo ließ sich vom spätantiken Motiv „Anbetung der Könige“ inspirieren. Aus dem Jesuskind und den Heiligen Drei Königen wurden jedoch der erwachsene Heiland und seine Jünger beim letzten Abendmahl. Wenn du das weltberühmte Gemälde mit eigenen Augen erleben möchtest, solltest du möglichst weit im Vorhinein planen. Aus konservatorischen Gründen müssen feste Termine für Kleingruppen gebucht werden – nach maximal 15 Minuten ist die Besichtigung schon wieder vorbei.

Darstellung und Perspektive

Nur wenige andere Werke der Kunstgeschichte erfreuen sich einer derart langen und intensiven Rezeptionsgeschichte wie „Das Abendmahl“ von Leonardo da Vinci. Darstellung und Perspektive geben bis heute Anlass zur fieberhaften Diskussion. Im Gegensatz zu frühen Abendmahl-Darstellungen verzichtete Leonardo sowohl auf den klassischen Heiligenschein als auch auf die bewusste Isolierung Judas‘. Dieser, gruppiert mit Petrus und Johannes, ist an seinem Geldsäckchen erkennbar. Man vermutet, dass die leicht weggedrehte Körperhaltung eine Distanzierung von der Gruppe suggerieren soll. Für die Figur Jesu bediente sich Leonardo hingegen der Zentralperspektive und nützte den Lichteinfall optimal, um Christus in den Mittelpunkt des Geschehens zu rücken. Rundherum wurden die weiteren Figuren szenisch angeordnet, einer Bühne gleich. Die bildlichen Fluchtpunktlinien steuern den Betrachtungspunkt automatisch auf den Kopf des Erlösers und ergeben, wenn hinzugedacht, eine Art Kreuzform rund um diesen.

Alle Theorie ist freilich grau, und so können Worte das einzigartige Abendmahl-Erlebnis nicht annähernd wiedergeben. Gemeinsam mit der ähnlich faszinierenden Santa Maria delle Grazie begrüßt dich das Herz Mailands mit einem der schönsten Orte Italiens, zurecht zum UNESCO-Welterbe erklärt. Wir wünschen dir viel Spaß bei deiner Besichtigungstour – viele weitere Reisetipps für Italien findest du natürlich auf ZAINOO!

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