Prähistorische Pfahlbauten um die italienischen Alpen

Seit es Menschen gibt, gibt es Behausungen in den verschiedensten Formen und Bauarten. Sie sind lehrreiche Zeitzeugen und geben Auskunft über Kultur und Status seiner Bewohner. An Seen und feuchten Gebieten hatte man in der Urzeit mit instabilen Bodenbedingungen zu kämpfen. Pfahlbauten erwiesen sich als Lösung. Gerade im alpinen Raum findet sich eine hohe Konzentration an Pfahlbausiedlungen, derer 111 die UNESCO im Jahr 2011 zum Weltkulturerbe erklärte. Diese eindrucksvollen Konstrukte, zwischen 5000 und 500 v. Chr. entstanden, verteilen sich auf gleich sechs Länder. 19 prähistorische Pfahlbauten um die Alpen liegen in Italien, und die stellen wir dir heute vor.

Alte Behausungen an Ufern und im Wasser

Prähistorische Pfahlbauten , UNESCO

©Bigstock.com/inguaribile

Der Wohnungs- und Hausbau in urzeitlichen Welten war an zahlreiche Herausforderungen gekoppelt, welche die Jagd nach einer Baugenehmigung wie ein laues Lüftchen erscheinen ließen. Man hatte deutlich weniger Werkzeuge und Materialien zur Verfügung, der Untergrund spielte nicht immer mit und die Bedrohung von anderen Stämmen sowie wilden Tieren durfte nicht unterschätzt werden. Pfahlbauten boten die Lösung für alle Probleme. Die dafür verwendeten Pfähle – kaum stärker als 15 Zentimeter, meist ganze oder gespaltene Stämme – wurden an seichten Stellen in den Boden gerammt und konnten je nach Wasserstand drei bis fünf Meter lang sein. Schwere Steine am Pfahlfuß boten zusätzlichen Widerstand gegen Wellenschlag, Lehm, Stroh und Rinden wurden zur Verkleidung herangezogen.

Wusstest du, dass es auch heute noch Pfahlbauten gibt? Klar, die sind jetzt alles andere als prähistorisch, erinnern aber dennoch an ihre Vorfahren. Während amerikanische Überschwemmungsgebiete, unter anderem in Kalifornien, auf modernere Varianten ohne Holz setzen, findest du vor allem in Südostasien und Westafrika solche Gebilde. Sie erschließen feuchtes bis sumpfiges Land und trotzen den Gezeiten.

Pfahlbauten in der Lombardei

Jetzt wollen wir uns aber wieder den prähistorischen Pfahlbauten widmen. Natürlich sind nicht längst alle italienischen Siedlungsfunde – gerade rund um den Gardasee entdeckst du viele alte Pfähle und Ruinen – Teil der UNESCO-Weltkulturerbestätte. Die meisten Siedlungen des Landes findest du in der Lombardei, hier gibt es gleich zehn an der Zahl.

  • Lavagnone: Vier Kilometer vor Desenzano del Garda befindet sich eine der wichtigsten Fundstätten der bronzezeitlichen Polada-Kultur. Neben charakteristischen Henkelgefäßen wurden auch Pfahlreste in der Torfgrube gefunden.
  • San Sivino, Gabbiano: Am Südwestufer des Gardasees, in Manerba del Garda, erhebt sich ein wunderschöner archäologischer Naturpark. Die beiden prähistorischen Grüße ragen im wahrsten Sinne des Wortes hervor… und heraus.
  • Lugana Vecchia: In und rund um Sirmione befinden sich zahlreiche Überreste von Pfahlbauten, welche auf steinzeitliche Ansiedlungen im 2. Jahrtausend v. Chr. hinweisen.
  • Lucone: Polpenazze del Garda dachte immer schon an Schutz, wie die Burg aus dem 10. Jahrhundert zur Abwehr der einfallenden Ungarn zeigt. Die bronzezeitlichen Siedlungsreste sind selbstverständlich deutlich älter.
  • Lagazzi del Vho: Wenn du Piadena besuchst, fühlst du dich schnell in den Bann dieses sympathisches Dorfes gezogen. Neben den Pfahlbauten von Lagazzi besuchst du das archäologische Museum mit alten Fundstücken.
  • Bande – Corte Carpani: Cavriana liegt im Norden Italiens zwischen Mantua und Brescia. Die beiden Ortsteile Corte Carpani und Bande sind von besonderer archäologischer Bedeutung.
  • Castellaro Lagusello – Fondo Tacoli: Wie wäre es mit einem Abstecher nach Monzambano, eines der schönsten Dörfer Italiens? Die kleine Gemeinde zwischen den Provinzen Mantua, Brescia und Verona verzaubert.
  • Isolino Virginia – Camilla – Isola di San Biagio: Vor dem Westufer des Lago di Varese liegt eine kleine, vorgelagerte Insel mit mehreren kleinen prähistorischen Siedlungsresten.
  • Bodio centrale o delle Monete: Jetzt zieht es dich zum Südufer des Sees. Bei Bodio Lomnago siedelten sich einst die Insubrer ein. Die Pfahlbauten sind allerdings wohl älter als der Keltenstamm.
  • Il Sabbione o settentrionale: Eine malerische Pfarrkirche samt Betkapelle begleitet deinen Streifzug durch Cadrezzate im Norden der Region. Beim Abstecher zum Lago di Monate entdeckst du die prähistorischen Zeitzeugen.

 

Pfahlbauten in Venetien und Friaul-Julisch Venetien

Während die Lombardei eine ganze Menge an urzeitlichen Behausungsresten zu bieten hat, sieht die Situation in den weiteren Regionen ganz anders aus. Venetien beheimatet immerhin vier Weltkulturerbestätten, während es in Friaul-Julisch Venetien nur eine einzige zu sehen gibt. Und doch solltest du dir keine einzige entgehen lassen.

  • Belvedere und Frassino: Diese beiden Siedlungen werden von der UNESCO als gesonderte Einträge geführt, befinden sich aber in derselben Stadt. Peschiera del Garda beheimatet diese bronzezeitlichen Bauten am Lago di Frassino und am Gardasee.
  • Tombola: Heute werden in Cerea in der veronesischen Tiefebene Möbel gebaut. Du kannst also gut und gerne sagen, dass Holz hier Tradition hat.
  • Laghetto della Costa: Etwas außerhalb des Ortskerns von Arquà Petrarca liegt dieser kleine See am Fuße des Monte Ricco. Neben der bronzezeitlichen Siedlung wurde hier außerdem eine Nekropole der Euganeer gefunden.
  • Palù di Livenza – Santissima: Wasser fließt durch ein weiteres der schönsten Dörfer Italiens. Rund um die fruchtbare Gorgazzo-Quelle entdeckte man die prähistorischen Siedlungen.

 

Pfahlbauten im Piemont und in Trentino-Südtirol

Das große Finale zieht uns weiter denn je zu den Alpen. Je zwei Siedlungen in Trentino-Südtirol und im Piemont decken vor allem die Spätphase der Pfahlbauten ab. Mit einer Ausnahme entstanden die Behausungen nach 2000 v. Chr., was ihrer Faszination selbstverständlich keinen Abbruch tut.

  • 1-Emissario: An der Grenze zwischen den beiden Dörfern Viverone und Azeglio breitet sich der naturbelassene See Lago di Viverone mit seinen urzeitlichen Siedlungsüberresten aus.
  • Mercurago: Vielleicht kennst du Arona als römischen Militärstützpunkt. Die Siedlungsgeschichte am Lago Maggiore reicht aber deutlich weiter zurück.
  • Molina di Ledro: Ein eigenes Pfahlbaumuseum beherbergt die Überreste dieser prähistorischen Gebilde am Ledrosee. Den nachgebauten Pfahlbau im Außenbereich musst du gesehen haben!
  • Fiavé – Lago Carera: Die ältesten erhaltenen Überbleibsel datieren bis ins Jahr 2300 v. Chr. zurück und können im Sommer kostenlos besichtigt werden.

 

Die Wege zu den verschiedenen Ausgrabungsstätten, Archäologieparks und Überresten an Seeufern mögen weit sein, die lange Reise lohnt sich allerdings. Auf deiner Tour durch den Norden Italiens entdeckst du nicht nur geheimnisvolle Überreste prähistorischer Pfahlbauten, sondern lernst verschlafene Dörfer und geheimnisvolle Natur kennen. Bist du bereit für die große Rundfahrt durch die idyllische UNESCO-Weltkulturerbestätte?

Kommentare sind geschlossen.