Die Siedlungsgeschichte Siziliens könnte kaum spannender sein. Ihre ganze Geschichte hindurch regierten verschiedene Völker die Insel und drückten ihr einen unverkennbaren Stempel auf. Bis heute fördern Ausgrabungen und Forschungsarbeiten neue Zeugnisse unterschiedlichster Kulturen zutage. Gelegentlich vermischten sich diese Kulturen mit spektakulären Ergebnissen. Palermo steht exemplarisch für Siziliens architektonische Vielseitigkeit. Die Vermengung von arabischen, normannischen und byzantinischen Einflüssen ist heute noch an zahlreichen Plätzen der Stadt greifbar. Mehrere Kirchen, Schlösser und eine Brücke sowie die beiden Kathedralen von Monreale und Cefalù wurden 2015 zur UNESCO-Weltkulturerbestätte erhoben und laden dich auf eine packende Rundreise ein.
Siziliens Siedlungsgeschichte
Die Siedlungsgeschichte der Insel ist ungemein vielschichtig. Wir überspringen ein paar Jahrtausende und steigen etwas später ein, um uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Nach der Teilung des Römischen Reichs übernahmen zunächst die Vandalen, dann die Ostgoten die Zügel auf Sizilien. 535 eroberte Kaiser Justinian I. die Insel im Rahmen seiner Bestrebungen, Teile des Weströmischen Reichs zurückzugewinnen. Die byzantinische Vorherrschaft hielt mehrere Jahrhunderte, überstand Rebellionen und einen Gegenkaiser, bevor die arabische Eroberung Siziliens 831 Palermo fallen ließ. Zwar wandelten die Araber viele Kirchen in Moscheen um, ließen die Christen jedoch im Allgemeinen nach ihren eigenen Gesetzen leben. Neue Bewässerungstechniken brachten der Landwirtschaft einen kräftigen Aufschwung.
Während Sizilien in der Folgezeit mehr Autonomie gewann, zerfiel es nach dem Aussterben der muslimischen Kalbiten-Dynastien in kleine Fürstentümer. Die Normannen setzen in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts mit ihren Eroberungszügen ein, Palermo wurde 1072 erobert. Im Gegensatz zu früheren Herrschern blieb die große Siedlerwelle allerdings aus, und so lebten Juden und Muslime weiterhin überwiegend nach ihrer eigenen Gesetzgebung. Mit dem Tod des letzten normannischen Königs von Sizilien im Jahr 1194 ging das Reich an die Staufer-Dynastie.
Palermos Schlösser und die Ponte dell‘Ammiraglio
Bauwerke aus der arabischen Zeit suchst du heute vergebens, und doch spricht man vom arabisch-normannischen Stil. Tatsächlich waren arabische Handwerker und Künstler auch unter normannischer Herrschaft an den verschiedensten Bauprojekten beteiligt. Ihre Handschrift ist also vielerorts unverkennbar, und das gilt natürlich auch für die beiden Schlösser Palermos. Gemeinsam mit einer Kapelle und einer Brücke machen sie den ersten Teil unserer UNESCO-Mini-Tour aus.
- Palazzo dei Normanni: Im 9. Jahrhundert ließ der Emir von Palermo eine Sommerresidenz zwischen zwei Flussläufen errichten. Der normannische König veranlasste den Umbau des Palazzo dei Normanni oder Palazzo Reale zu einem stattlichen Regierungssitz, der im Laufe der folgenden Jahrhunderte weitere Veränderungen erfuhr. An der Fassade erinnern einzelne, mit Blendarkaden verzierte Stellen sowie die Torre Pisana an die normannische Zeit, während das Innere des Palastes unter anderem Elemente der Renaissance beherbergt. Die Sala dei Venti und die Stanza di Ruggero gehen auf die Zeit Rogers II. zurück.
- Cappella Palatina: Die Hofkapelle des Palazzo wurde ebenfalls unter Roger II. errichtet. Beim Aufbau und der Ikonographie bezog man sich auf römische und byzantinische Riten. Vom mit Marmor und Porphyr geschmückten Boden bis zur Holzdecke mit arabischer Schnitzkunst erlebst du die engen kulturellen Verflechtungen dieser Zeit in Reinkultur.
- Castello della Zisa: Ein hoher Kubus dient als Blickfang im königlichen Park. Die einstige Sommerresidenz der normannischen Könige, heute Heimat des Museums für islamische Kunst, perfektioniert die Fusion normannischer und arabischer Einflüsse. Nischen mit Muqarnas im Inneren symbolisieren dieses Aufeinandertreffen auf eindrucksvolle Weise.
- Ponte dell‘Ammiraglio: Ursprünglich überspannte die Brücke Georgs von Antiochien, ein hoher Hofbeamter Rogers II., einen Seitenarm des Flusses Oreto, bevor dieser 1938 trockengelegt wurde. Dafür bediente sich der Admiral oder Ammiratus (daher auch der Name) einer speziellen arabisch-normannischen Technik.
Die arabisch-normannischen Kirchen Palermos
Einen nummerisch großen Teil dieser UNESCO-Weltkulturerbestätte machen die sakralen Gebäude aus. Gleich vier Kirchen stehen ebenfalls in Palermo. Bist du bereit für einen Blick auf diese arabisch-normannischen Highlights?
- Kathedrale von Palermo: Was du heute als Kathedrale von Palermo besuchst, ist alles andere als das Originalgebäude. Dieses wurde schon im 6. Jahrhundert errichtet, später in eine Moschee umgewandelt und nach Beschädigungen aufgrund eines schweren Erdbebens 1169 abgerissen. Der Neubau begann nur wenige Jahre später, Erweiterungen und Veränderungen folgten bis ins 19. Jahrhundert. Die drei Apsiden reflektieren nach wie vor arabischen Einfluss, während das Innere mittlerweile klassizistischer Prägung ist.
- San Giovanni degli Eremiti: Auf einem arabischen Vorgängerbau basierend, finden sich nach wie vor Elemente des Originals an der Fassade, zudem blieb die gesamte Südmauer erhalten. Bei deinem Ausflug in die Kirche entdeckst du alte Freskenreste in der Sakristei. Diese Abbildung einer thronenden Muttergottes sowie Überbleibsel roter Wandinschriften wirken wie aus der Zeit gefallen.
- Santa Maria dell‘Ammiraglio: Kannst du dich noch an Georg von Antiochien erinnern? Er stiftete diese Kirche, welche deshalb auch seinen Namen trägt. Byzantinische Ikonographie, arabische Schnitzarbeiten, korinthische Kapitelle und katalanische Gotik sind nur einige der vielen stilistischen Elemente. Hier entdeckst du Neues und Faszinierendes in jedem Winkel.
- San Cataldo: Diese Kirche zählt zu den letzten, die im arabisch-normannischen Stil erbaut wurden – perfekt für den Abschluss deiner Palermo-Tour. Großadmiral Maio von Bari ließ sie als seine Privatkirche erbauen und verpasste dem klassischen Kubusbau Elemente aus seiner apulischen Heimat. Eingelassene Säulen und Muqarnas mit abgestuften Spitzbögen sind typisch für den Stil dieser Epoche.
Die Kathedralen von Monreale und Cefalù
Der arabisch-normannische Stil hinterließ aber auch außerhalb Palermos Spuren. So beinhaltet die UNESCO-Weltkulturerbestätte zwei weitere Kathedralen in benachbarten Bistümern. Dieser Ausflug lohnt sich gewiss:
- Kathedrale von Monreale: Ein weiteres Spätwerk dieser Bauphase perfektionierte die normannisch-arabisch-byzantinische Symbiose vom massiven Baukörper über die Intarsien und Blendbögen an den Außenmauern bis zu den berühmten Goldgrundmosaiken. Diese byzantinischen Elemente leuchten auch heute noch in schillernden Farben und rechtfertigen für sich alleine bereits den Besuch. Ein weiteres Highlight ist der ausladend gestaltete Kreuzgang mit 26 spitzbogigen Arkaden und höchst unterschiedlich gestalteten Doppelsäulen. An der einen oder anderen wirst du weitere Mosaike in Form von Einlegearbeiten erkennen.
- Kathedrale von Cefalù: Majestätische Zwillingstürme heißen dich bei deinem Besuch gebührend willkommen. Der Legende nach geriet Roger II. vor der Nordküste Siziliens in einen schweren Sturm und konnte sich nach Cefalù retten. Als Dank ließ er diese Kathedrale errichten, die ursprünglich sogar seine Grabkirche werden sollte. Byzantinische und normannische Mosaike, verschiedene Grabmäler und Skulpturen erwarten dich im Inneren.
Sizilien lohnt sich immer, und mit dieser UNESCO-Weltkulturerbestätte auf dem Programm erst recht! Palermo, Monreale und Cefalù beheimaten Fusionsbaukunst der außergewöhnlichen Art. Erlebe hautnah, wie verschiedenste Stile und Epochen auf gekonnte und einzigartige Weise zueinanderfinden. Viel Spaß bei deiner unvergesslichen Rundtour!