Die Fossilien des Monte San Giorgio

Ein kleiner Ausflug auf 1.097 m Seehöhe an der italienisch-schweizerischen Grenze legt herrliche Aussichten frei. Der in den Luganer Voralpen gelegene Monte San Giorgio im Kanton Tessin, zwischen den beiden südlichen Armen des ebenso prächtigen Luganersees, ist ein beliebtes Wander- und Ausflugsziel, ein echtes Naturjuwel, dessen weitläufige Landschaft sich bis in die Provinz Varese zieht. Unter der stark bewaldeten Oberfläche befinden sich jedoch zahlreiche Höhlen mit ungeahnten urzeitlichen Schätzen. Sie geben marine Fossile frei, die teils über 200 Millionen Jahre alt sind. 2003 wurde der Schweizer Teil zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt, 2010 kam schließlich der italienische Abschnitt hinzu, um nunmehr die gesamte fossile Anlage und Ausgrabungsstätte mit ihrer wunderschönen umliegenden Region zu umfassen.

Das Meeresbecken im Gestein

Monte San Giorgio, UNESCO

©Bigstock.com/Fotoember

Wie konnten diese versteinerten Urzeitwesen überhaupt in die Höhlen gelangen? Wissenschaftler vermuten, dass die Gesteine des Monte San Giorgio vor ca. 245 bis 230 Millionen Jahren ein großes, ca. 100 Meter tiefes Meeresbecken inmitten einer Lagune formten, bevor der heutige Berg entstand. In dieser damals subtropischen Region mit vermutlich sauerstoffarmem Wasser am Grund konnten zahlreiche Wirbeltiere geschützt wachsen und gedeihen, ohne sich vor ihren natürlichen Feinden, den Aasfressern, in Acht nehmen zu müssen. Die gefundenen Fossilien bestehen daher oft aus vollständig erhaltenen Skeletten und sind für die Forschung von besonderer Bedeutung. Fische, Reptilien, und wirbellose Tiere, beispielsweise Insekten, konnten in den weltweit einmaligen fünf Fundschichten entdeckt werden. Dazu zählen hunderte Mixosaurus-Skelette, eine Ichthyosaurier-Art (auch „Fischsaurier“ genannt) aus der Mittleren Trias. Bis heute wurden mehr als 20.000 Fossilien aus den Fundschichten des Monte San Giorgio entnommen.

Die wichtigsten Fossilien

Einige der prächtigen Fundstücke haben wir bereits kurz erwähnt. Nachstehend haben wir eine kleine Übersicht für dich aufbereitet, was bereits entdeckt wurde:

  • Reptilien: Ungefähr 25 verschiedene Arten konnten im Monte San Giorgio erwähnt werden. Neben dem bereits erwähnten Mixosaurus zählen auch die Eosauropterygier zu dieser Gruppe. Sie weisen spitze Zähne und paddelartige Extremitäten auf. Der Protorosaurier hatte hingegen einen überaus langen, giraffenartigen Hals.
  • Insekten: Tintorina, die „Mücke“ des Monte San Giorgio, ist die wohl älteste gefundene, überaus differenziert ausgebildete Insektenart der Region und zählt zur Gruppe der Eintagsfliege. Aktuell laufen Studien an faszinierenden Käfer- und Libellenfunden auf Hochtouren.
  • Fische: Neben den teils am Übergang zum Fischwesen befindlichen Reptilienfunden konnten auch in etwa 50 Fischarten entdeckt werden. Während die Knorpelfische, darunter Haie, in der Fossilisation schlecht erhalten blieben – diesen Prozess überstand meist nur Zähne und Flossenstacheln – erinnern hingegen die entdeckten Quastenflosser an das lebende Fossil Latimeria aus dem Indischen Ozean.
  • Conodonten: Diese Wesen geben bis heute Rätsel auf. Sie waren vermutlich fünf bis zehn Zentimeter lange, fischähnliche Wirbeltiere, welche wohl den heutigen Neunaugen ähneln. Der Monte San Giorgio förderte packende Cluster-Funde zutage. Hier wurden übrigens auch zahlreiche Abdrücke von Muscheln, Schnecken und Kopffüßern entdeckt.

 

Fossilienmuseum in Meride

Was du mit dieser Fossilienübersicht anfangen sollst, wirst du dich fragen? In den Museen der Region kannst du einen Blick auf die verschiedenen Fundstücke der Region Monte San Giorgio werfen. Ein kleiner Ausflug in die Schweiz lohnt sich besonders, denn das nur knapp vier Kilometer von der italienischen Grenze entfernte Fossilienmuseum in Meride bietet dir faszinierende Einblicke. Am 13. Oktober 2012 eingeweiht, widmet es sich auf vier Stockwerken den versteinerten Pflanzen und Tieren der UNESCO-Weltkulturerbestätte. Zu den Highlights zählt die Rekonstruktion eines Ticinosuchus. Dieser 2,5 Meter lange Landsaurier lebte am Rand des Meeresbeckens. Wir empfehlen dir eine Führung durch das Museum, um wirklich alle Schätze entdecken zu können, von faszinierenden Fakten begleitet. Für junge Besucher werden eigene Kinderführungen angeboten.

Weitere Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten in der Region

Das Fossilienmuseum in Meride ist natürlich ein absolutes Muss, aber längst nicht das einzige Highlight am und rund um den Monte San Giorgio. Neben unzähligen Wander- und Spazierwegen solltest du folgende Highlights auf keinen Fall verpassen:

  • Fossilienmuseum von Besano: Der italienische Teil der Monte-San-Giorgio-Region verfügt ebenfalls über ein paläontologisches Museum. Hier erwarten dich unter anderem das knapp sechs Meter lange Skelett eines Mixosaurus mit vier Embryos im Unterleib sowie ein gewaltiger Saltriovenator.
  • Val Mara: Die Aussichtsplattform im Herzen der Grenzregion gewährt einen Einblick in die Fossilienablagerungen des Trias-Meeres. Hoch über der Schlucht des Gaggiolo-Baches warten Bildtafeln, Abgüsse, Ferngläser und Fossilienmodelle sowie Rekonstruktionen der Umgebung aus dem Mitteltrias auf dich.
  • Geo-paläontologischer Weg: Zwischen Italien und der Schweiz verläuft ein langer Pfad für Wanderer und ausdauernde Spaziergänger. Er führt durch das Herz der Region und stellt verschiedene geologische sowie paläontologische Aspekte näher vor. Die durch die UNESCO geschützten Weltkulturerbe-Ausgrabungsstätten stehen natürlich ebenfalls auf dem Plan.
  • Naturgeschichtliches Museum von Clivio: Auch als Besucherzentrum der Region Monte San Giorgio bekannt, betrachtet dieses Museum verschiedene Aspekte der regionalen Flora und Fauna. Wenig überraschend geht es dabei auch um die Fossilien des berühmten Berges mit über 4.000 Funden. Gleich sechs Skelette des Lariosaurus lassen sich hier betrachten. Das naturgeschichtliche Museum deckt ebenso verschiedene mineralogische, zoologische und botanische Bereiche ab, und verfügt über einen großen Park mit einem stratigraphischen Park, der sich den regionalen Gesteinen widmet.
  • Linea Cadorna: Während des Ersten Weltkrieges wurde die Cadorna-Verteidigungslinie an der Grenze zur neutralen Schweiz erbaut. Nach General Luigi Cadorna benannt, schreckte sie erfolgreich vor Angriffen auf die Lombardei ab – die Linea Cadorna blieb unbenützt. Heute kannst du die renovierten Festungen mit ihren Höhlen im Rahmen von sechs beschilderten Rundwegen erkunden und erfährst mehr über die Geschichte sowie die vielfältige Natur der Region.

 

Der Monte San Giorgio ist eine Region von unfassbarem Wert – nicht nur für Forscher, sondern auch für Naturfreunde und Hobbyentdecker. Überall stößt du auf fossile Zeitzeugen, erhältst packende Einblicke in die Evolution der Insekten, Reptilien und Fische, und lässt dich zudem in den Bann traumhafter Landschaften mit packenden Aussichten ziehen. Deine Reise in das italienisch-schweizerische Grenzgebiet kann kommen!

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