Cremona – Kunststadt mit Geigenbautradition

Kunststadt Cremona

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Am linken Po-Ufer, unweit der Grenze zur Emilia Romagna gelegen, befindet sich ein echter lombardischer Geheimtipp. Cremona ist vielleicht nicht gerade das, was du als erste Urlaubsadresse bezeichnen würdest. Die sympathische Stadt im Süden der Region mit gut 72.000 Einwohnern fällt eher in den Bereich klein, aber oho. Wusstest du beispielsweise, dass Cremona eine reiche Geigenbautradition hat, die sogar zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe gehört? Oder dass sich hier einer der höchsten Mauerwerk-Glockentürme Europas befindet? Nun denn, lass uns einen Blick in diese liebenswerte Stadt werfen.

Ein historisches Wechselbad der Gefühle

Wie auch Piacenza, wurde Cremona im Jahr 218 v. Chr. als römischer Vorposten zum Schutz gegen gallische Stämme gegründet. Durch die Entsendung neuer Siedler blühte die Kolonie schnell auf und erreichte später Municipium-Rechte. Truppen des zukünftigen Kaisers Vespasian zerstörten Cremona nach der zweiten Schlacht von Bedriacum im Jahr 69 mit Ausnahme eines Tempels – mit ein Grund dafür, weswegen du kaum antike Spuren entdecken wirst. Zwar ordnete Vespasian den sofortigen Wiederaufbau an, der frühere Wohlstand konnte allerdings nicht mehr erreicht werden. Die Langobarden sollten Cremona einige Jahrhunderte später ebenfalls zerstören und erneut aufbauen.

Danach wurde es lange Zeit recht still um die Stadt. Cremona wechselte im 11. und 12. Jahrhundert mehrmals die Seiten, unterstützte Barbarossa und trat später dennoch dem Lombardenbund bei. Als kaisertreue Stadt half man später die Ghibellinen im Kampf gegen Parma – aus dieser Zeit stammen einige der schönsten Gebäude Cremonas – bevor die einst verfeindeten Guelfen die Herrschaft übernahmen. Rebellionen und Entzüge zahlreicher Rechte waren die kaum überraschende Konsequenz. Nach mehreren Herrschaftswechseln ging Cremona 1535 an die Habsburger. 1702 wurde die Stadt zum wichtigen Spielball während des Spanischen Erbfolgekrieges, bevor es zur erneuten Blüte unter den österreichischen Habsburgern kam. Dort blieb Cremona auch – mit einem napoleonischen Intermezzo – bis zur Niederlage im Sardinischen Krieg um 1860. Die Stadt wurde Teil des neuen Königreichs Italien.

Die Kathedrale von Cremona

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Viele der schönsten Gebäude Cremonas stammen aus dem Mittelalter, und hier ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Die Kathedrale der Stadt, der Duomo di Cremona oder Cattedrale di Santa Maria Assunta, bildet gemeinsam mit dem Baptisterium und dem Glockenturm Torrazzo die zentrale architektonische Einheit Cremonas. Obwohl der Grundstein bereits 1107 gelegt war, konnte die Kathedrale nach einem verheerenden Erdbeben erst 1190 geweiht werden. Der Campanile, das Querschiff, die Fassade und der heute die Piazza dominierende Narthex kamen in späteren Zeiten hinzu. Ihr heutiges Erscheinungsbild erhielt die Kathedrale somit erst im 15. Jahrhundert.

Rund um das aufwendig gestaltete, romanische Portal erhebt sich eine imposante Marmorfassade mit reichhaltiger Dekoration. Eine gewaltige Fensterrose und vier romanische Arkaden lockern die Komposition auf. Der oberste Teil weist hingegen Merkmale der Frührenaissance auf. Im Gegensatz dazu wirken die Seitenfassaden beim Querhaus recht schlicht. Das kann man für den Innenraum jedoch nicht sagen, denn die zahlreichen Ausschmückungen werden dich mit Sicherheit beeindrucken. Ein Blickfang ist gewiss das gewaltige Altarkreuz aus vergoldetem Silber. Es besteht aus über 1.000 Teilen mit 160 Statuen. Gemälde und Fresken von Il Pordenone, Boccaccino und Amadeo komplettieren den monumentalen Gesamteindruck.

Zum architektonischen Ensemble der Kathedrale gehören zwei weitere, ähnlich eindrucksvolle Gebäude:

  • Baptisterium: Linkerhand an die Kathedrale angeschlossen, erhebt sich das achteckige Battistero di Cremona. Hier treffen romanische und lombardisch-gotische Architektur – letztere schlägt sich unter anderem im bloßen Mauerwerk nieder – aufeinander, wobei die Marmorelemente aus späteren Jahrhunderten stammen. Ein weiteres großes Altarkreuz sowie mehrere Statuen zieren den Innenraum.
  • Torrazzo: Hinter Landshut und Brügge ist der 1309 vollendete Campanile von Cremona der dritthöchste Mauerwerk-Glockenturm Europas. Mit seinen 112, 7 m ist er zugleich das älteste, noch stehende Gebäude über 100 m seiner Art. Der Torrazzo beheimatet zudem die größte astronomische Uhr der Welt. Seine Tierkreis-Konstellationen wurden im Laufe der Zeit mehrmals übermalt und nachbearbeitet.

 

Kultur- und Musikstadt Cremona

Architektonische Pause! Die Kunststadt Cremona ist untrennbar mit ihrem kulturellen und musikalischen Erbe verbunden. Geigenspieler schnalzen beim bloßen Erwähnen des Stadtnamens anerkennend mit der Zunge. Bereits im Spätmittelalter war die Kathedrale ein wichtiges regionales musikalisches Zentrum, doch im 16. Jahrhundert sollte Cremona als Zentrum der Instrumentenbaukunst so richtig aufblühen. Einige der berühmtesten Geigenbaufamilien der Welt stammen aus bzw. wirkten in Cremona. Die Familien Amati und Rugeri waren Pioniere, später dominierten die Guarneri und Bergonzi. Und dann ist da natürlich noch Antonio Stradivari, der vielleicht berühmteste Sohn der Stadt. Seine Instrumente werden heute für mehrere Millionen gehandelt und versteigert. Selbst heute gibt es noch mehr als 140 Geigenbauer in und rund um Cremona.

Die traditionelle Geigenbaukunst in Cremona wurde 2012 zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO erklärt. Im Folgejahr feierte des Museo del violino seine feierliche Eröffnung. Das Violinen-Museum im Palazzo dell’Arte widmet sich der vielfältigen Geschichte des Instruments von seinen Ursprüngen über die Meister des Instrumentenbaus bis zum modernen Einsatz in zehn spannenden Räumen. Im Auditorium finden regelmäßig Aufführungen mit alten und neuen Instrumenten aus Cremona statt.

Das solltest du auf keinen Fall verpassen!

Wir beenden unser höchst faszinierendes musikalisches Intermezzo, denn Cremona hat neben der Geigenbaukunst und dem Ensemble der Kathedrale noch ein paar weitere Schätze zu bieten. Hier sind einige unserer Favoriten:

  • Museo Civico Ala Ponzone: Große Kunst gibt es in einer Kunststadt natürlich auf vielerlei Arten. Einige der schönsten Werke Cremonas sind in diesem Museum ausgestellt. Der Großteil der ursprünglichen Sammlung wurde 1842 von Giuseppe Sigismondo Ala Ponzone gespendet, darunter Werke von Arcimboldi und Caravaggio. Ein weiteres Highlight findest du im Sala del Platina. Der Renaissance-Holzschrank Armadio del Platina befand sich einst in der Kathedrale von Cremona.
  • San Sigismondo: Etwas außerhalb des Stadtzentrums liegt sich dieser Kirchenkomplex. Das ursprüngliche Kloster wurde um 1463 zu Ehren der neuen Verbindung der zuvor verfeindeten Familien Sforza und Visconti erbaut. Besonders Augenwerk gilt den meisterlichen Fresken Bernardino Gattis in der Kuppel.
  • San Marcellino e Pietro: Obwohl die architektonische Hochphase im (ausgehenden) Mittelalter liegt, findest du auch so manches Glanzlicht späterer Epochen in Cremona. Dazu zählt diese 1602 in Auftrag gegebene Barockkirche. Lass dich nicht von der unvollendeten Fassade täuschen, denn die typisch opulente Barockausstattung im Inneren bringt beeindruckende Gemälde, Altarbilder und Stuckverzierungen mit.

 

Cremona ist wohl das, was sich – zumindest außerhalb der Musikwelt – prima als Geheimtipp bezeichnen lässt. Das gewaltige Ensemble der Kathedrale mit dem Baptisterium und Torrazzo alleine reißt bereits zu Begeisterungsstürmen hin, und der reichen Geigenbau-Geschichte der Stadt können sich selbst klassikferne Besucher nicht entziehen. Viel Spaß in dieser etwas anderen lombardischen Kunststadt!

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