Bozen – Kunststadt mit einzigartiger Schlossdichte

Die Hauptstadt Südtirols gilt als ausgewiesenes Highlight unter Wintertouristen und Kurgästen. In Bozen kommen verschiedene Sprachgruppen und Kulturkreise vor dem Hintergrund einer zeitweise alles andere als harmonischen Geschichte zusammen. Die einzigartige Rolle Bozens als Kunststadt wird dabei gerne vergessen. Bewegende wie wichtige Kunstschätze und die höchste Schlossdichte Europas wissen auf vielfältige Weise zu begeistern. Und das sind nur zwei von vielen Aspekten, die Bozen zu einer populären Urlaubsdestination machen. Wir begleiten dich auf einem Blick hinter die Kulissen.

Ein Spätzünder zwischen zwei Kulturkreisen

Kunststadt Bozen

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Im Gegensatz zu vielen anderen italienischen Städten war Bozen zu Zeiten der Römer und der Völkerwanderung aufgrund seiner Sümpfe und häufigen Überschwemmungen – von einzelnen Minisiedlungen und einer römischen Straßenstation abgesehen – weitestgehend unbedeutend. Dafür wurden im Mittelalter zahlreiche Burgen im Bozener Becken errichtet. Die heutige Stadt entstand um 1170 bis 1180 als planmäßige Marktsiedlung rund um einen Marktplatz und von Lauben gesäumten Gassen. Erst für 1437 ist ein förmliches Bozener Stadtrecht bezeugt.

Die ehemalige Messestadt verlor an Bedeutung, bis in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Tourismus als führender Industriezweig entdeckt und ausgebaut wurde. Ein Denkmal für den berühmten mittelalterlichen Dichter Walther von der Vogelweide aus dem Jahr 1889 markierte den Übergang zwischen dem deutschen und italienischen Sprachraum. Mit der Bürgermeisterwahl von Dr. Julius Perathoner 1895 begann eine überaus aktive Zeit – Stadtmuseum, Theater, Brücken, Schulen, Promenaden und Straßenbahnlinien wurden errichtet sowie ausgebaut. Im Zuge der Italienisierung entstanden zahlreiche Industriebetriebe, zudem gestaltete die faschistische Regierung ab 1928 das Stadtbild neu. Bis heute bestehen gewisse Spannungen zwischen den Bozener Sprach -und Volksgruppen, und doch versteht man sich nicht nur sprachlich gut.

 

Schlösser und Ansitze

Kunststadt Bozen

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Das Bozener Becken verfügt über die höchste Burgendichte Europas mit rund 40 Anlagen auf engstem Raum, die ab dem 12. Jahrhundert von Adeligen auf vornehmlich exponierten Punkten errichten wurden. Zahlreiche prestigeträchtige Schlösser und Ansitze können auch heute noch in und rund um Bozen besichtigt werden. Folgende Favoriten solltest du dir auf keinen Fall entgehen lassen:

  • Schloss Runkelstein: Auf unebenem Boden erlebst du die Bozener Geschichte hautnah. Das öffentlich zugängliche Schloss Runkelstein entstand wohl um 1237 und wurde in späteren Zeiten mehrfach zerstört sowie wiederhergestellt. Besonderes Augenmerk gilt dem mittelalterlichen, von 1388 bis 1410 entstandenen Freskenzyklus. Er zeigt biblische Szenen, Heiligendarstellungen sowie literarische und höfische Motive seiner Zeit. Die Runkelsteiner Fresken gelten heute als eine der wichtigsten Quellen für die Bekleidungsgeschichte des späten Mittelalters.
  • Schloss Maretsch: Östlich der Talferpromenade erhebt sich diese imposante Niederungsburg aus dem 13. Jahrhundert. Ihr heutiges Aussehen erhielt sie allerdings erst ca. 300 Jahre später, als der Ausbau zur Schlossanlage mit vier Rundtürmen sowie Renaissancefresken erfolgte. Schloss Maretsch dient heute vor allem als Seminarzentrum und kann auf Anfrage besichtigt werden.
  • Haselburg: Die Herren von Haselburg, deren Name vom Bozener Stadtteil Haslach abstammt, errichteten diese Burg im 13. Jahrhundert. Ebenfalls in späteren Jahren stark umgebaut, machte ein verheerender Brand weite Teile im 18. und 19. Jahrhundert zur Ruine. Das heutige Kongresszentrum mit Gastwirtschaft zeichnet sich vor allem durch motivreiche Renaissancefresken aus.
  • Ansitz Compil: Dieses prächtige Gebäude, auch Compill, Klebelsberg oder Brandisserhof genannt, steht stellvertretend für die zahlreichen Ansitze Bozens. Der denkmalgeschützte Ansitz wurde erstmals im 13. Jahrhundert als kleinadeliger Besitz der Reifer von Compil genannt. Seine heutige Form erlangte das prächtige Gebäude durch einen neugotisch-englischen Umbau gegen 1870.

 

Die Kirchen Bozens

Kunststadt Bozen

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Bozen ist aber nicht nur Heimat unzähliger Schlösser, Burgen und Ansitze, sondern ebenso eine echte Kirchenstadt mit prächtiger architektonischer Vielfalt, die vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert reicht. Folgende Kirchen mit einzigartigen Kunstschätzen empfehlen wir dir wärmstens:

  • Dom Maria Himmelfahrt: Die Ursprünge des Doms und Bischofsitzes gehen auf das Jahr 1180 zurück, als eine Pfarrkirche im romanischen Stil erbaut wurde. Als Bozen wuchs, kam um 1300 ein spätgotischer Neubau hinzu, später folgten unter anderem das Leitacher Törl mit seinen Skulpturen, der Turm und das Stiftskapitel. Verschiedene spätgotische Fresken und neugotische Seitenaltäre sowie eine Pietà aus der Zeit des Weichen Stils zieren das Innere des Doms. Das besonders verehrte, historische Herz-Jesu-Bild von Johann Josef Karl Henrici wird ebenfalls in Maria Himmelfahrt aufbewahrt.
  • Alte Pfarrkirche Gries: 1788 verlor die römisch-katholische Kirche zu Unserer Lieben Frau ihren Rang als Pfarrkirche im Stadtviertel Gries-Quirein zugunsten der neuen Stiftskirche. Sie befindet sich aufgrund ihrer wertvollen Kunstschätze unter Denkmalschutz. Von besonderer Bedeutung sind das kurz nach 1200 entstandene, romanische Kruzifix sowie der unvollständig erhaltene, spätgotische Schnitzaltar von Michael Pacher.
  • Dominikanerkirche: Auch diese Kirche, zu der ein ehemaliges Kloster gehört, hat große kunsthistorische Bedeutung. So zählt der Mönchschor zu den ältesten Zeugnissen gotischer Sakralarchitektur in Tirol. Eindrucksvolle gotische Wandmalereien und ein hochklassiges barockes Altarbild von Guercino im Langhaus führen durch zahlreiche kunstgeschichtliche Jahrhunderte.
  • Franziskanerkirche: Drei große Glasfenster aus der Nachkriegszeit erheben sich in der Apsis. Sie sind der modernste Teil dieses Klosterkomplexes, in dessen Kapelle der junge Franz von Assisi einst bei einer Messe ministriert und die Glocke geläutet haben soll. Ein prächtiger Schnitzaltar und bedeutsame Fresken im Kreuzgang führen durch 800 Jahre Kunst- und Kirchengeschichte.

 

Weitere Bauwerke und Museen

Bevor wir uns komplett in den sakralen Wunderwerken Bozens verlieren, wollen wir dir noch ein paar modernere Gebäude und Monumente ans Herz legen:

  • Südtiroler Archäologiemuseum: Der Mann vom Tisenjoch „wohnt“ in der Museumstraße von Bozen. Gemeinhin besser als Ötzi bekannt, ist die Gletschermumie Teil der Sammlung eines der bedeutendsten archäologischen Museen Italiens. Packende Einblicke in die frühe Vergangenheit des südlichen Alpenraums widmen sich vornehmlich Funden von der Altsteinzeit bis zur Völkerwanderung.
  • Museion: Ein 54 m langer und 25 m hoher Kubus erhebt sich am Ende einer Brücke mit schwingenden Kurven. Seit 2008 befindet sich das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in diesem hochspannenden Gebäude, das für sich alleine bereits ein gewaltiger Hingucker ist.
  • Siegesdenkmal: Der Faschismus sorgte in Südtirol und speziell Bozen für unfreiwillige Italienisierung. Anstelle eines Denkmals für Kriegstote aus dem Ersten Weltkrieg wurde dieses mächtige Monument errichtet. Wenig überraschend war das Siegesdenkmal jahrzehntelang Gegenstand heftiger Debatten. Seit 2014 befindet sich ein Dokumentationszentrum zur Bozner und Südtiroler Geschichte während des Faschismus in den unterirdischen Räumlichkeiten.
  • Casa Littoria: Wie das Siegesdenkmal wurde auch das ehemalige Parteigebäude der Nationalen Faschistischen Partei zum Mahnmal umgestaltet. Zahlreiche Infotafeln erklären den historischen Hintergrund und die Reliefs sowie eingemeißelten, heute verbotenen faschistischen Organisationen. Das Casa Littoria dient heute als Verwaltungsgebäude.
  • Messner Mountain Museum Firmian: Sechs Standorte in den italienischen Provinzen Südtirol und Belluno bilden das Bergmuseum des weltberühmten Extrembergsteigers Reinhold Messner. Das Museumsprojekt Firmian in Bozen hat seinen Sitz im spätmittelalterlichen Schloss Sigmundskron. Zu den MSM-Eckpfeilern zählen das Verhältnis von Alpinismus, Tourismus, Mensch und Natur, dargestellt anhand zahlreicher Bilder, Skulpturen und Erinnerungsstücke.

 

Der Magie Bozens kann man sich kaum erziehen. Obwohl die Geschichte der Stadt vergleichsweise jung ist, handelt es sich hierbei doch um eine Kunststadt im wahrsten Sinne des Wortes. Von der hohen Burgendichte über die prächtigen Kunstschätze in den Kirchen bis zum offenen Umgang mit der jungen, düsteren Geschichte der Stadt ist Bozen stets eine Reise wert.

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