Mitten in der atemberaubend schönen Natur der südlichen Marken, umgeben von gleich drei Bergen und zwei Flussläufen, erhebt sich ein versteckter monumentaler Schatz. Ascoli Piceno, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, zählt vergleichsweise übersichtliche 47.000 Einwohner. Und doch zählt sie zu den bekanntesten Kunststädten Italiens. Das liegt vor allem an der eindrucksvollen Architektur, dem mittelalterlichen Charme und dem mächtigen Travertin, der mit seinen warmen Farben der Altstadt ihr unverwechselbares Erscheinungsbild verpasst. Was dich genau erwartet, möchtest du wissen? Na, dann wollen wir mal!
Italiker oder Spechte?
Ausnahmsweise verlieren wir keine großen Worte über die Geschichte, denn zu Ascoli Piceno gibt es in dieser Hinsicht verhältnismäßig wenig zu sagen. Sie war wohl einst die Hauptstadt der Picener, ein eisenzeitlicher Volksstamm. Der Name kommt entweder von ihnen oder von einem Spechtritual der Sabiner (Specht heißt auf Italienisch so viel wie „picchio“). Später wurde die gesamte Region von den Römern erobert, dann stritten sich unter anderem die Ostgoten, Langobarden und Franken darum. Im instabilen Mittelalter konnten Galeotto I. Malatesta und Francesco I. Sforza brutale Diktaturen errichten, bevor Ascoli Piceno 1482 in päpstliche Oberhoheit geriet und dort bis zur Gründung des Königreichs von Italien bleiben sollte.
Piazza del Popolo und Piazza Arringo
Auf geschichtlicher Ebene können wir vielleicht herzlich wenig berichten, doch hat Ascoli Piceno als Kunststadt dafür erst recht einiges zu bieten. Mitverantwortlich dafür ist der reichhaltig eingesetzte Travertin, ein heller Kalkstein aus Süßwasserquellen, der sich wie ein roter – gut, eher wie ein blasser Faden durch die Altstadt zieht. Auf den beiden Hauptplätzen Piazza del Popolo und Piazza Arringo spielt sich das Leben der Stadt ab. Und dort gibt es für dich einiges zu sehen, darunter:
- Dom Sant‘Emidio: Obwohl vom ursprünglich romanischen Bau kaum etwas übergeblieben ist – wir empfehlen dir einen Blick in die Krypta – bleibt die Kathedrale Ascoli Picenos die wohl wichtigste Kirche der Stadt. Umfangreiche Travertin-Arbeiten ergeben gemeinsam mit den barocken Umbauten ein harmonisches Gesamtbild. Das Polyptychon-Altarbild auf der rechten Seite des Altars solltest du dir auf keinen Fall entgehen lassen.
- San Francesco: Diese gewaltige gotische Hallenkirche entstand zwischen 1258 und 1371. San Francesco wird von der gewaltigen Markthalle und einem Renaissance-Kreuzgang, wo auch heute noch vormittags ein Markt stattfindet, flankiert. Zur Piazza del Popolo hin entdeckst du einen großen Nebeneingang, der von einem Monument für Papst Julius II. begleitet wird.
- Palazzo dell‘Arengo: Die Piazza Arringo wird auch Piazza dell’Arengo genannt, und dieser Palast zählt zu seinen wichtigsten Gebäuden. Aus der Fusion zweier älterer Paläste entstanden, schindet die Travertin-Fassade mit ihren fünf Portiken ordentlich Eindruck. Dahinter verbirgt sich unter anderem die Kunstgalerie Pinacoteca Civica.
- Baptisterium: Während der Dom St. Emygdius, dem Schutzpatron der Stadt, gewidmet ist, wird das Baptisterium dem Heiligen Johannes zugeschrieben. Dieses Ideal der Romanik Ascolis gilt als italienisches Nationaldenkmal. Obwohl die Travertin-Fassade auf den ersten Blick schlicht wirkt, wirst du bei genauerem Hinsehen gewiss das eine oder andere spannende Detail entdecken.
- Diözesanmuseum: Zum Palastkomplex auf der Piazza Arringo gehört auch dieses gewaltige Museum, das sich der Wahrung des künstlerischen Vermögens der Diözese verschrieben hat. Zu den Schwerpunkten zählt ein Bereich über die Florentiner Kunst im 16. Jahrhundert sowie zu den verschiedenen Kunstschulen und -strömungen der Stadt vom 13. Jahrhundert bis heute.
Weitere Sehenswürdigkeiten in Ascoli Piceno
Neben den weit über die Marken hinaus bekannten Travertin-Meisterwerken beheimatet Ascoli Piceno noch das eine oder andere Glanzlicht, das einen zweiten oder sogar einen dritten Blick lohnt. Wie wäre es beispielsweise mit:
- Ponte di Cecco: Das römische Erbe Ascoli Picenos ist vor allem etwas weiter außerhalb der Stadt zu sehen. Die Bogenbrücke Ponte di Cecco wurde bereits um 25 v. Chr. unter Kaiser Augustus erbaut und gehörte zu einer Versorgungsstraße zwischen Rom und der Adriaküste. Der Legende nach erbaute der Teufel die Brücke in nur einer Nacht.
- Ponte Romano di Solestà: Eine zweite Bogenbrücke, ebenfalls auf die Regentschaft Augustus‘ zurückzuführen, überspannt den Fluss Tronto und führt in das Stadtviertel San Giacomo. Von der alten Stadtmauer ist inzwischen jedoch herzlich wenig zu sehen.
- San Pietro Martire: Die Kirche des Dominikanerordens verläuft sich ein wenig durch ihre Lage auf einem kleinen Platz an einer Kreuzung. Während die Fassade von San Pietro Martire entsprechend unauffällig anmutet, solltest du deine Augen unbedingt auf die prächtige, leuchtende Apsis richten. Die Marmorstatuen am Hauptaltar sowie die Fresken an den Seitenwänden sind ebenfalls echte Hingucker.
- San Vittore: Romanik trifft Gotik für eine sympathische kleine Kirche aus Travertin-Marmorblöcken. Die Fensterrosette ist klar gotisch, der Glockenturm eigenwillig quadratisch und wohl einst Heimat des Baptisteriums, bevor ein Blitzeinschlag den alten Turm zerlegte. Verschiedene anonyme Fresken, teils mittlerweile ins Diözesanmuseum transferiert, kleiden San Vittore aus.
Die Quintana
Zum Abschluss haben wir noch einen kleinen Veranstaltungstipp für dich. Der erste Sonntag im August ist der wichtigste Feiertag Ascoli Picenos. Eine große Parade zu Ehren des Schutzpatrons Emygdius mit ca. 1.500 Teilnehmern in Renaissance-Kostümen schlängelt sich durch die Stadt. Danach wird ein großes Reitturnier abgehalten, die Quintana. Hier treten sechs Ritter, die jeweils einen der sechs Stadtteile repräsentieren, auf einem Parcours gegeneinander an. Mit Lanze und Schild versuchen sie das Bildnis eines Sarazenenkriegers zu treffen. Beim abendlichen Stadtfest wird schließlich groß aufgetischt. Natürlich darf die Spezialität Olive all’Ascolana, frittierte und mit Fleisch gefüllte Riesenoliven, nicht fehlen.
Ascoli Piceno ist wohl das, was man gemeinhin als „klein, aber oho“ bezeichnet. Als Kunststadt glänzt sie durch ihr einzigartiges Travertin-Flair, das der gesamten Altstadt einen edlen und historischen Charme verleiht. Zwischen römischem Erbe, gewaltigen romanischen und gotischen Kirchen sowie einem wahrlich rauschenden Fest erwartet dich ein verborgener Schatz im Süden der Marken, von der traumhaften Natur rundherum mit ihren unzähligen Wanderwegen ganz zu schweigen. Ascoli Piceno ist definitiv eine Reise wert!