Die Kunst des neapolitanischen Pizzabackens

Die neapolitanische Pizza, UNESCO

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Mit der Vielfalt des UNESCO-Welterbes in Italien bist du mittlerweile bestens vertraut, kennst eine große Bandbreite an Natur- und Kulturerbestätten. Tatsächlich gibt es noch eine dritte Liste, die wir bislang weitestgehend ausgeklammert haben. Die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit behandelt kulturelle Ausdrucksformen und mündliche Überlieferungen sowie Bräuche, Feste und Handwerkskünste. Italien findet sich aktuell gleich zwölfmal auf dieser Liste, darunter Cremonas traditionelle Geigenbaukunst, die Transhumanz im Mittelmeerraum und den Alpen sowie das sizilianische Marionettentheater „Opera dei Pupi“. Wir haben uns allerdings ein immaterielles Kulturerbe herausgesucht, das nun wirklich jede*r kennen sollte: Pizza!

Willkommen in Neapel

Woher der Begriff „Pizza“ genau kommt, ist heute unbekannt. Die Spuren führen ins Langobardische, Arabische und Hebräische, aber auch zu verschiedenen italienischen Dialekten. So gibt es im Neapolitanischen den Begriff „piceà“ oder „pizzà“ für „zupfen“ mit vergleichbaren Varianten im Kalabrischen und Mittellateinischen. Das würde natürlich traumhaft passen, denn die Geschichte der Pizza ist eng mit Neapel verbunden. Vergleichbare Gerichte gab es bereits in der Jungsteinzeit, erste modernere Belege stammen allerdings von Vincenzo Corrado, der zwischen 1715 und 1725 über das neapolitanischen Würzen von Pizza und Pasta mit Tomaten schrieb. Überhaupt ist die Evolution der Pizza eng mit der wachsenden Popularität der Tomate in Süditalien verbunden.

Die neapolitanische Pizza

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Um die erste „moderne“ Pizza ranken sich spannende Mythen. Sie soll am 11. Juni 1889 in Neapel – wo auch sonst – von Raffaele Esposito zubereitet worden sein. König Umberto I. und seine Frau Margherita wünschten sich eine Pizza, die Esposito ganz patriotisch in den Farben der italienischen Nationalfarben – grüner Basilikum, weißer Mozzarella und rote Tomaten – belegte. Diese Variante heißt seither Pizza Margherita, die dazugehörige Pizzeria Brandi ist heute weltberühmt. Historiker widerlegten diese spannende Geschichte jedoch. Ein Zeitungsartikel der Washington Post aus dem Jahr 1880 berichtete vom Faible der Königin für Pizza. Sie ließ sich von verschiedenen Pizzabäckern beliefern und wählte letztlich acht Sorten aus. Esposito war bloß der einzige Pizzaiuolo, der die Empfangsbestätigung des Hofes aufbewahrte.

Gelebte Pizza-Tradition

Ein Blick auf die engere Tradition der neapolitanischen Küche kennt lediglich zwei verschiedene Pizzaarten:

  • Pizza Margherita mit Tomaten, Mozzarella g. t. S. in Streifen, Mozzarellawürfeln, Basilikum und Olivenöl
  • Pizza marinara mit Tomaten, Knoblauch, Oregano und Öl

 

Daneben gibt es noch einige weitere Varianten, welche auf die neapolitanische Tradition zurückgehen (z.B. Capricciosa, Quattro stagioni, Quattro formaggi, Calzone oder Diavola), von unzähligen regionalen Sonderformen und kuriosen Erfindungen mit ausgefallenen Belägen ganz abgesehen. Hier soll es aber nicht um eine Pizza mit Würsten, Spaghetti oder Schnitzel gehen, sondern um den Klassiker.

Um eben jenen Klassiker in Zeiten verbreiteter Tiefkühl- und Fast-Food-Pizza zu schützen, wurde 1984 die Associazione Verace Pizza Napoletana zur Wahrung der Tradition der neapolitanischen Pizza gegründet. Die weltweiten Mitglieder dieser Vereinigung dürfen ihr Produkt als „echte neapolitanische Pizza“ („Verace Pizza Napoletana“) bezeichnen, Herstellungsweise und Zutaten werden regelmäßig kontrolliert. 2005 führte die EU das Warenzeichen für die Pizza Napoletana ein, 2010 folgte der Schutz der traditionellen Zusammensetzung bzw. des traditionellen Herstellungsverfahrens als „garantiert traditionelle Spezialität“ (g. t. S.). Demnach besteht eine neapolitanische Pizza aus folgenden Zutaten:

  • Weichweizenmehl
  • Bierhefe
  • natürliches Trinkwasser
  • geschälte Tomaten und/oder kleine Frischtomaten
  • Meer- oder Kochsalz
  • natives Olivenöl extra

 

Die optionalen Zutaten, welche bei der Zubereitung ebenfalls verwendet werden können, sind:

  • Knoblauch
  • Oregano
  • frischer Basilikum
  • Mozzarella di Bufala Campana g.U. oder Mozzarella g. t. S.

 

Gebacken wird ausschließlich in Holzöfen, welche die wichtige Backtemperatur von 485 °C erreichen, zudem darf die Garzeit 60 bis 90 Sekunden nicht überschreiten. Der etwas dickere Rand ist ebenso typisch für die neapolitanische Pizza.

Ein Festtag für den Pizzagenuss

Am 7. Dezember 2017 wurde die neapolitanische Pizza und die Kunst der Pizzabäcker zum immateriellen Kulturerbe erklärt. Zur Feier des Tages gab es Gratis-Pizza in der Stadt, der 7. Dezember ist seither ein neapolitanischer Feiertag, der von einem abwechslungsreichen, mehrtägigen Programm mit Vorträgen, Schaukochen und Festakten begleitet wird. Bei ungefähr 3.000 Pizzaiuoli in der Region, von unzähligen Amateur-Pizzabäckern ganz abgesehen, ist das kein Wunder.

Falls du dich jetzt noch fragst, wie du eine Pizza richtig isst, dann hat Enzo Coccia, eine der größten Pizzalegenden Neapels, die Antwort für dich: zweimal falten wie ein Portemonnaie. So schmeckst du das Aroma des Teiges, den Mozzarella und das Olivenöl. Die Tomatensauce kann nicht hinauslaufen und du kriegst alle Geschmackskomponenten mit einem Biss. Wohl bekomm’s!

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